Ein Gesicht so schön und kalt
informiert war als sie
selbst oder seine übrigen Angestellten. Sie war sich nicht sicher,
weshalb Kerry sich eigentlich über den Arzt erkundigt hatte,
aber Kate hatte nicht den Eindruck, daß sie dem Doktor damit
schaden wollte. Kerry hatte sie in die Tatsache eingeweiht, daß
Smith nicht nur geschieden war, sondern auch der Vater einer
Frau, die man ermordet hatte.
Obwohl sie sich dabei wie Judas Ischariot vorkam, gab Mrs.
Kate Carpenter an Barbara Tompkins die Telefonnummer von
Kerry McGrath weiter, Anwältin bei der Staatsanwaltschaft von
Bergen County.
Noch lange nachdem Bob Kinellen weggegangen war, saßen
Kerry und Robin Schulter an Schulter und mit den Füßen auf
dem Couchtisch vor ihnen da, ohne ein Wort zu reden.
Schließlich erläuterte Kerry mit sorgsam gewählten Worten:
»Egal, was ich gesagt habe und was auch immer die Szene, die
du gerade mitgekriegt hast, vermuten läßt - Dad liebt dich
wirklich sehr, Robin. Daß er so besorgt ist, gilt dir. Ich finde es
nicht bewundernswert, in was für Situationen er sich manchmal
bringt, aber ich achte seine Gefühle für dich, auch wenn ich so
wütend werde, daß ich ihn rauswerfe.«
»Du bist sauer auf ihn geworden, als er gesagt hat, daß er sich
Sorgen macht wegen mir.«
»Also, hör mal. Das waren doch bloß Worte. Er regt mich
manchmal so entsetzlich auf. Wie auch immer, jedenfalls weiß
ich, daß du, wenn du groß bist, bestimmt nicht so jemand wirst,
der ständig in Schwierigkeiten hineinschlittert, die für alle
andern klar auf der Hand liegen, und sich dann auf eine
situationsbedingte Moral beruft - was heißen soll: ›Das mag
zwar unrecht sein, ist aber leider nötig.‹«
»Ist es das, was Dad macht?«
»Ich denke schon.«
»Weiß er, wer das Foto von mir gemacht hat?«
»Er vermutet, daß er’s weiß. Es hat etwas mit einem Rechtsfall
zu tun, um den sich Geoff Dorso kümmert und bei dem er mich
gebeten hat, ihm zu helfen. Er versucht einen Mann aus dem
Gefängnis rauszukriegen, von dessen Unschuld er überzeugt
ist.«
»Hilfst du ihm denn dabei?«
»Also, ehrlich gesagt, war ich so ziemlich zu dem Schluß
gekommen, daß ich ohne guten Grund schlafende Hunde
aufgeweckt hab’, als ich anfing, mich darum zu kümmern. Aber
jetzt habe ich allmählich das Gefühl, daß ich mich vielleicht
getäuscht hab’ und daß es ein paar wirklich gute Gründe für die
Annahme gibt, daß Geoffs Klient möglicherweise tatsächlich
ungerecht verurteilt worden ist. Auf der andren Seite setze ich
dich bestimmt nicht irgendeiner Gefahr aus, nur um das zu
beweisen. Das versprech ich dir.«
Robin starrte eine Weile vor sich hin und wandte sich dann
ihrer Mutter zu. »Mom, das ergibt doch keinen Sinn. Das ist
total unfair. Erst machst du Dad wegen was runter, und dann tust
du selber genau dasselbe. Ist das etwa nicht ›situationsbedingte
Moral‹ wenn du Geoff nicht hilfst und dabei denkst, daß sein
Klient nicht im Gefängnis sitzen sollte?«
»Robin!«
»Ehrlich. Denk mal drüber nach. So, und können wir jetzt die
Pizza bestellen? Ich hab’ Hunger.«
Wie vor den Kopf geschlagen, beobachtete Kerry ihre
Tochter, wie sie aufstand und nach der Tasche mit den
Videofilmen griff, die sie anschauen wollten. Robin inspizierte
die Titel, suchte einen aus und steckte die Kassette in den
Videorecorder. Bevor sie den Apparat anstellte, sagte sie noch:
»Mom, ich glaube wirklich, dieser Kerl im Auto neulich wollte
mich bloß erschrecken. Ich glaube nicht, daß er mich wirklich
überfahren hätte. Es macht mir nichts aus, wenn du mich bei der
Schule absetzt und Alison mich wieder abholt. Was soll’s
schon?«
Kerry starrte ihre Tochter einen Moment an und schüttelte
dann den Kopf. »Was es soll, ist, daß ich stolz auf dich bin und
mich selber schäme.« Sie umarmte Robin schnell, ließ sie dann
wieder los und ging in die Küche.
Einige Minuten später, als sie gerade die Teller für die Pizza
herrichtete, klingelte das Telefon, und eine zögernde Stimme
erklärte: »Ms. McGrath, hier spricht Barbara Tompkins.
Entschuldigen Sie bitte die Störung, aber Mrs. Carpenter, die bei
Dr. Charles Smith in der Praxis ist, hat vorgeschlagen, daß ich
Sie anrufe.«
Während sie zuhörte, angelte sich Kerry einen Stift und fing
an, auf dem Telefonnotizblock in Stichpunkten mitzuschreiben. Barbara suchte Dr. Smith in Praxis auf… Er zeigte ihr ein
Bild… Fragte sie, ob sie wie diese Frau ausschauen will… Hat
sie operiert… Fing
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