Ein Gespenst auf Schatzjagd - Sherlock von Schlotterfels ; 1
sie den Raum verlassen, wandte sich Dr. Kuckelkorn seinen Kindern zu. Das Lächeln auf seinem Gesicht war einer ernsten Miene gewichen. „Jetzt hört mir mal zu, ihr beiden“, sagte er streng. „Was hatte ich euch gesagt?“
„Kein offenes Feuer in der Bibliothek“, murmelten Max und Paula im Chor.
„Und warum, bitte, habt ihr euch nicht an mein Verbot gehalten?“
Was sollten sie ihrem Vater bloß sagen? Dass nicht sie, sondern ein Gespenst das Feuer im Kamin entzündet hatte? Und den Kerzenleuchter auf dem Schreibtisch?
Wenn sie ihrem Vater das sagten, würde er richtig wütend werden.
Dr. Kuckelkorn atmete schwer aus. „Die Bücher und das alte Holz brennen wie Zunder. Feuer ist kein Spielzeug!“
Paula und Max nickten.
„Versprecht mir, dass diese Sache von gestern Nacht ein einmaliger Ausrutscher bleibt!“
Wieder nickten Max und Paula.
„Ich verlasse mich auf euch!“
„Das kannst du auch, Papa“, versprach Paula beschämt.
„Ganz bestimmt sogar“, versicherte Max.
Dr. Kuckelkorn warf einen Blick über die Schulter. In der Küche hörte man die Haushälterin rumoren. „Und bitte, vergrault mir Frau Hagedorn nicht. Ich weiß, sie ist ein wenig streng. Aber sie meint es nur gut. Ich wüsste wirklich nicht, was ich ohne sie machen sollte. Seit eure Mutter nicht mehr bei uns ist, hält sie hier das Schiff über Wasser. Also, Kinder, reißt euch am Riemen!“
Den Kopf auf die Hand gestützt löffelte Paula lustlos das Eis, das Frau Hagedorn als Wiedergutmachung serviert hatte. Unter anderen Umständen hätte sie es mit Begeisterung verschlungen. Aber die Erinnerung an ihre Mutter hatte ihr den Appetit verdorben. Und nicht nur ihr. Max rührte seinen Nachtisch erst gar nicht an.
Sie vermissten ihre Mutter sehr. Der Schmerz über ihr Verschwinden saß immer noch so tief wie an dem Tag, als die schreckliche Nachricht die Familie ereilt hatte.
Dr. Susanne Kuckelkorn hatte eine archäologische Expedition durch den Amazonas-Dschungel geleitet. Aber statt der Mutter war nach vier Wochen ein Telegramm eingetroffen, das der Familie in knappen Worten mitteilte, dass die Expeditionsgruppe verschollen sei. Nicht ein einziger der Teilnehmer war ins Basislager zurückgekehrt. Seit über einem Jahr fehlte von ihnen jede Spur.
„Max, du hast den Nachtisch ja nicht mal probiert“, sagte Frau Hagedorn und kratzte gierig die letzten Reste Schokoladeneis von ihrem Tellerchen. „Es wäre doch zu schade, das gute Eis verkommen zu lassen!“
Max schreckte aus seinen Gedanken auf.
„Was?“
„Dein Eis?“
„Ach so. Das können Sie haben. Lassen Sie es sich schmecken, Frau Hagedorn.“
Das ließ sich die Haushälterin nicht zweimal sagen.
Das Geheimzimmer
Es war kurz nach zwei, als Max und Paula beim Musikzimmer ankamen. Ein riesiges Deckengemälde musizierender Engel wölbte sich über den Raum. Die Wände waren mit einer blassrosa Seidentapete verkleidet und in einigen Nischen posierten Engel aus Stein, die Trompete, Harfe oder Geige spielten.
„Die geheime Tür!“, rief Paula und deutete auf eine der Wände.
Max strich andächtig über den hauchdünnen Riss in der Tapete. „Nicht schlecht, Paula! Ich hätte diese Tür in hundert Jahren nicht gefunden!“ Max klopfte an.
Nichts geschah.
„Lass mich mal!“ Donnernd hämmerte Paula mit der Faust auf die Wand ein. „Freiherr von Schlotterfels, wir sind es! Max und Paula!“
Stille. Bis Paula aufkreischte.
„Aaaaaaaah!“
Direkt vor ihrer Nase war unverhofft das blasse Haupt Sherlocks aus der Wand aufgetaucht. Entsetzt wich er ein Stück zurück, um augenblicklich mit tiefer, kräftiger Stimme in das Gebrüll einzustimmen. Und Max, der genau neben den beiden Schreihälsen stand, hielt sich mit schmerzverzerrtem Gesicht die Ohren zu.
„Warum schreit ihr denn so?“, schimpfte Max. „Wollt ihr die Hagedorn anlocken, oder wie?“
„’tschuldigung“, knurrte Paula. „Ich bin es eben noch nicht gewohnt, dass Köpfe aus der Tapete kommen.“
„Ach, du hast dich erschreckt?“, fragte Sherlock höchst erstaunt.
„Sie sich etwa nicht?“, entgegnete Paula verdutzt.
Das Gespenst schüttelte die Perückenlocken.
„Keineswegs“, log es und wurde nicht mal ein kleines bisschen durchsichtiger dabei.
In diesem Moment drangen aus der Eingangshalle Geräusche zu ihnen herüber. Da kam jemand die Treppe heruntergepoltert!
„Max! Paula!“
„Die Hagedorn!“, zischten Paula und Max gleichzeitig.
„Wenn die uns jetzt erwischt,
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