Ein Gespenst auf Schatzjagd - Sherlock von Schlotterfels ; 1
stolz auf seine schauspielerische Leistung.
„Jetzt ja. Damals hingegen war ich mausetot. Dachte ich jedenfalls. Doch dann bemerkte ich, dass ich immer noch auf Erden weilte. Ich stand neben meinem Leichnam und sah dabei zu, wie der Sekundant meinen Tod feststellte. Ächzend hoben die Männer meinen leblosen Körper hoch und trugen ihn davon. Da erst wurde mir bewusst, dass ich für die anderen unsichtbar war. In dem Moment meines Todes war ich zum Gespenst geworden.“
Sherlock setzte sich auf und klopfte den Staub von Kniebundhosen und Jackett.
„Aber warum sind Sie zum Gespenst geworden?“, fragte Max und setzte sich neben Sherlock. „Heißt das, Paula und ich werden auch zu Gespenstern, wenn wir …“
Freiherr von Schlotterfels nickte bedächtig. „Darüber habe ich mir auch schon den Kopf zerbrochen und ich bin zu folgendem Schluss gekommen: Ich geistere, weil ich im Leben versagt habe. Ich wollte die Ehre meiner Familie wiederherstellen und das ist mir nicht gelungen. Das Duell habe ich verloren und den wahren Dieb des Diamanten habe ich auch nicht entlarvt. Ergo wurde ich zum Gespenst.“
„Und Lilly?“, fragte Paula.
„Oh, Lilly!“, rief das Gespenst aus, worauf vom Sessel her ein freudiges Bellen erklang. „Zu meinen Lebzeiten hatte ich keinen Hund. Lilly war der Hund des Herzogs von Au, der sich geweigert hatte, mich zu beißen. Zur Strafe für ihren Ungehorsam ließ der Herzog sie mal wieder hungern. Diesmal zu lang …“
„Blöder Vollidiot!“, schimpfte Paula.
Sherlock nickte. „Wie wahr! Und eines schönen Tages stand die kleine Lilly dann schwanzwedelnd als Gespenst vor mir.“
„Heißt das, Lilly ist zum Gespenst geworden, weil sie ihre letzte Aufgabe nicht erfüllt hat?“, fragte Paula nach.
„Ich glaube nicht, dass dieses Gesetz auch für Tiere gilt“, erwiderte Sherlock.
Max kniff die Augen zusammen und legte den Zeigefinger an die Nasenspitze: „Da stellt sich doch eine wichtige Frage: Wenn Sie diese letzte Aufgabe erfüllen, werden Sie dann erlöst?“
„So hoffte ich immer!“
Paula schüttelte den Kopf. „Ich versteh nur Bahnhof.“
„Die Sache ist doch ganz einfach“, setzte Max an. „Freiherr von Schlotterfels muss herausbekommen, wer den Stein damals wirklich gestohlen hat. Damit wäre die Ehre seiner Schwester wiederhergestellt und die seiner Familie ebenfalls. Dann hätte er seine Aufgabe gelöst und könnte endlich zur Ruhe kommen.“
„Ich habe seit Jahrhunderten den gleichen Verdacht“, grollte Sherlock. „Roderich Herzog von Au hat meiner Schwester das Versteck des Diamanten in Wirklichkeit nie verraten. Der Stein ist noch dort, wo er ihn zuletzt aufbewahrt hat. Wo auch immer das sein mag.“ Freiherr von Schlotterfels kratzte sich unter der Perücke. „Sapperlot noch eins! Ich werde bis ans Ende aller Tage als Gespenst mein Dasein fristen müssen, fürchte ich.“
„Warum haben Sie sich denn nicht gleich auf die Suche nach dem Diamanten gemacht und stattdessen den Herzog zu diesem dämlichen Duell gefordert?“, fragte Paula kopfschüttelnd. „Duelle sind doch völlig bescheuert!“
„Damals waren sie durchaus üblich“, antwortete das Gespenst verschnupft.
„Was ist aus ihrer Schwester geworden?“, unterbrach Max die beiden Streithähne.
Bei dieser Frage breitete sich augenblicklich ein Lächeln über Sherlocks Gesicht aus. „So manches Mal haben Lilly und ich Theresia heimlich einen Besuch abgestattet. Um zu sehen, ob es ihr gutgeht. Schade, dass sie uns nicht sehen konnte.“ Sherlock stieß einen tiefen Seufzer aus, bevor er weitersprach: „Sie hat einen Mann geheiratet, den sie wirklich liebte, und ein überaus erfülltes Leben geführt. Wahrlich, diese Besuche bei meiner Schwester waren in den Jahren der Herumgeisterei das Schönste.“
Er nickte bekräftigend. „Danach, vor ungefähr hundert Jahren, kehrten Lilly und ich in dieses Schloss zurück und wir haben es seither nie wieder verlassen. Mir waren Gerüchte über ruchlose Beutelschneider und Spitzbuben zu Ohren gekommen, die das Schloss meiner Ahnen verschandeln, verhökern oder dem Erdboden gleichmachen wollten. Aber Lilly und ich haben jeden von ihnen das Fürchten gelehrt – bis euer Vater kam. Ich hörte, wie er von seinen Plänen erzählte. Als Museum des Barocks sollte das Schloss in altem Glanze wiedererstrahlen. Alles sollte genauso werden, wie es zu meinen Lebzeiten war. Und da wusste ich mein Zuhause endlich in guten Händen.
Damit gibt es keinen
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