Ein Gespenst auf Schatzjagd - Sherlock von Schlotterfels ; 1
hatten, was in den Augen der Haushälterin die Höchststrafe verdiente.
Da öffnete sich ein drittes Mal die Tür und Max schlurfte wortlos zu seinem Platz. Frau Hagedorn verteilte das Sauerkraut und fragte spitz: „Wie wäre es mit einer freundlichen Begrüßung, Max?“
„Guten Tag, Frau Hagedorn! Hallo, Papa!“, sagte Max schnell.
Dr. Kuckelkorn lächelte seinen Jüngsten an und wuschelte ihm kurz durch die Haare. „Wo hast du denn gesteckt?“
„Ich … ich … ich musste noch das Klassenzimmer fegen. Da hab ich den Bus verpasst.“ Diese kleine Notlüge hatte Max den ganzen Heimweg vor sich hin gemurmelt. Trotzdem fiel es ihm nicht leicht, seinen Vater anzuschwindeln. Aber wie würde der reagieren, wenn Max ihm die Wahrheit sagte? Dass er in der Schule todmüde eingeschlafen war und das Schlussläuten verschlafen hatte, weil Paula und er die halbe Nacht in der Gesellschaft eines Gespenstes verbracht hatten?
„Was haben wir denn ausgefressen?“, raunte Max seiner Schwester hinter vorgehaltener Hand zu. Mit der Gabel deutete er auf die Schüssel mit Sauerkraut.
„Keine Ahnung“, flüsterte Paula.
Des Rätsels Lösung sollte aber nicht lange auf sich warten lassen. Denn schon legte die Haushälterin mit einem Räuspern das Besteck beiseite. „Herr Dr. Kuckelkorn, es tut mir leid, dass ich Sie damit behelligen muss. Aber die Sache ist so unerhört, dass Sie davon erfahren sollten!“
Paula und Max schauten sich ratlos an.
„Ja, Frau Hagedorn?“ Dr. Kuckelkorn schnitt ein Stück Fleisch ab, schob es sich in den Mund und kaute genüsslich.
„Wie jeden Morgen war ich auch heute im Museum, um zu lüften. Dieser Mief ist ja geradezu unerträglich.“ Mit den Fingerspitzen strich Frau Hagedorn über die Tischdecke. „Herr Doktor, bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Ein alleinerziehender, berufstätiger Vater, der so eingebunden ist wie Sie, hat es mit zwei Kindern ganz bestimmt nicht leicht. Aber Sie müssen mal ein Machtwort sprechen. Ich gebe mir ja alle Mühe, den Kindern die Mutter zu ersetzen, ihnen Anstand und gutes Benehmen beizubringen. Aber ohne Ihre Unterstützung geht es nicht!“
Paulas Augen verengten sich. Die Hagedorn würde niemals ihre Mutter ersetzen können. Niemals!
Dr. Kuckelkorn wischte sich mit der Serviette über den Mund. „Frau Hagedorn, worum geht es denn eigentlich?“
„Es geht um die Bibliothek. Als ich dort heute Morgen die Flügeltüren öffnete, wirbelte der Wind einen Haufen Asche im Kamin auf. Asche! Jemand muss dort gestern Nacht ein Feuer gemacht haben. Und das ist noch nicht alles. Auf dem alten Schreibtisch stand ein Leuchter, den ich noch nie zuvor gesehen habe. Die Kerzen darin sind heruntergebrannt und der Schreibtisch ist voller Wachs. Es ist mir absolut schleierhaft, wie ich das Wachs entfernen soll, ohne das wertvolle Möbelstück zu verkratzen!“
Mit diesen Worten verschränkte Frau Hagedorn die Arme vor der üppigen Brust und schaute Dr. Kuckelkorn herausfordernd an.
Nachdenklich trommelte der mit den Fingern auf die Tischplatte und bedachte Max und Paula mit einem Blick, den sie nicht deuten konnten. Das würde ein schönes Donnerwetter geben!
Doch da huschte Dr. Kuckelkorn ein Lächeln übers Gesicht. „Ach, und Sie denken jetzt, die Kinder hätten …“
„Sie haben doch überdeutlich gemacht, wie gefährlich offenes Feuer in der Bibliothek ist!“, rief Frau Hagedorn. „Da werden Sie ja wohl kaum … und ich ganz bestimmt auch nicht! Und man muss wirklich kein Genie sein, um eins und eins zusammenzuzählen und …“
„Ach, Frau Hagedorn!“, sagte Dr. Kuckelkorn. „Aber in diesem Fall war doch ich der Übeltäter. Gestern Abend konnte ich der Versuchung einfach nicht widerstehen. Ich wollte mich ein Mal so fühlen wie ein echter Freiherr von Schlotterfels sich vor vielen Jahrhunderten gefühlt haben muss. Und da es damals noch kein elektrisches Licht gab, musste ich wohl oder übel meinem eigenen Verbot zuwiderhandeln.“
Paula grinste und stupste Max an: „Famos unser Papa, ganz famos!“
Frau Hagedorns Hängebäckchen hingen plötzlich noch schlaffer herunter als gewöhnlich. „Aber … aber … Sie haben doch selbst …“
„Natürlich. Und ich verspreche Ihnen, dass sich dieser kleine nostalgische Anfall nicht wiederholen wird!“
Frau Hagedorn nickte stumm. Ächzend stemmte sie sich aus dem Stuhl und sagte: „Uns ist das Mineralwasser ausgegangen. Ich hole schnell eine neue Flasche.“
Kaum hatte
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