Ein Gespenst auf Schatzjagd - Sherlock von Schlotterfels ; 1
drin?“ Max’ Stimme war zu einem ängstlichen Wispern zusammengeschrumpft.
Paula wollte gerade etwas erwidern. Doch eine Männerstimme aus der Bibliothek kam ihr zuvor:
„Jetzt heißt es Abschied nehmen!“
Besuch aus der Vergangenheit
Max krallte seine Finger in Paulas Schlafanzug und öffnete den Mund zu einem Schrei. Nicht eine Sekunde zu früh drehte Paula sich zu ihm herum und legte ihm die Hand auf die Lippen.
Paula lauschte wieder in die Bibliothek hinein. Es war alles ruhig. Es war so ruhig, dass man den von Dr. Kuckelkorn gefürchteten Holzwurm hätte sägen hören können. Paula schob die Tür zaghaft ein bisschen weiter auf. Im flackernden Kerzenschein konnte sie nun die hohen Wandregale sehen, die über und über mit verstaubten Büchern vollgestopft waren. Mehrere Leitern lehnten an den Regalen. Ohne sie würde niemand an die obersten Bücher herankommen, denn diese befanden sich in fünf Meter Höhe.
In dem übergroßen Kamin, in dem ein Erwachsener bequem hätte aufrecht stehen können, prasselte ein behagliches Feuer.
Mitten im Raum standen ein riesiger, aufwendig verzierter Stuhl und ein Schreibtisch, auf dem jemand einen Kerzenleuchter abgestellt hatte. Fünf Kerzen warfen ihr Licht auf ein aufgeschlagenes dickes Buch, dessen Seiten vergilbt und an manchen Stellen eingerissen waren.
Nach einem letzten kontrollierenden Rundumblick gab Paula der Tür den entscheidenden Stoß und betrat die Bibliothek. Max stolperte hinter ihr her.
„Hier ist niemand“, rief Paula enttäuscht.
Max wich ihr nicht von der Seite. Er hätte sich gerne selbst vergewissert, ob wirklich niemand in einer Ecke auf sie lauerte. Aber er wagte es einfach nicht, sich genauer umzuschauen. Max wünschte sich zum wiederholten Male in dieser Nacht ins Bett zurück. In seinem Bett war er nicht nur in Sicherheit, sondern es war auch kuschelig warm.
Als könnte Paula Gedanken lesen, wandte sie sich plötzlich zu ihm um. „Sag mal, ist dir auch so saukalt?“
Max nickte. „Und das, obwohl Feuer im Kamin brennt.“
Paula rieb ihre Oberarme und ging zu dem alten Schreibtisch hinüber. Max folgte ihr wie ein Schatten.
„Was ist das denn für ein alter Schinken?“ Paula schenkte dem Buch vor ihrer Nase nicht mehr als einen kurzen Blick, dann stand ihr Urteil fest: „Sieht stinklangweilig aus.“
„Lass mal sehen“, sagte Max. Er trat neben sie und blätterte die Seiten um. Dann klappte er das Buch zu und las halblaut die in den ledernen Umschlag eingeprägte Inschrift: „ Familienchronik der Freiherren von Schlotterfels .“
„Sag ich doch: stinklangweilig.“ Paula zog bibbernd die Schultern hoch.
„Das ist gar nicht langweilig“, widersprach Max. „Das ist die Geschichte der Familie, die hier viele Hundert Jahre lang gelebt hat! Von Schlotterfels.“
„Wie auch immer“, sagte Paula, „ich geh jetzt ins Bett. Falls du noch denjenigen treffen solltest, der hier ohne uns eine Party gefeiert hat, grüß ihn schön von mir. Und – Max – der Letzte macht das Licht aus.“
„Ich bleib nicht alleine hier!“, protestierte Max. Er nahm das schwere Buch an sich und verstellte Paula den Weg.
Aber Paula wollte nicht warten. Sie schubste Max zur Seite, sodass er gegen den Schreibtisch stieß. Dabei entglitt ihm das Buch, es schlitterte über die Tischplatte und stieß gegen den Kerzenleuchter. Der geriet gefährlich ins Wanken. Erschrocken schrien Max und Paula auf. Beiden schoss die Warnung ihres Vaters durch den Kopf: kein offenes Feuer in der Bibliothek! Blitzschnell griffen sie nach dem Leuchter und bekamen ihn gleichzeitig zu fassen.
Da passierte es! Wie bei einem Silvesterfeuerwerk zuckten plötzlich bunte Blitze auf. Es brauste und knallte. Dann war der Spuk wieder vorbei.
Hustend wedelte Paula die Rauchschwaden beiseite, die dick und schwer Richtung Decke waberten. Den erloschenen Kerzenleuchter, den sie immer noch fest umklammert hielt, stellte sie sachte wieder auf dem Schreibtisch ab.
„Wow, was war das denn?“, prustete sie. „Max?“ Paula schaute sich suchend um. „Max, wo bist du?“
Da entdeckte sie keine drei Schritte von sich entfernt die undeutlichen Umrisse einer Gestalt. „Max?“
Durch den dichten Qualm hindurch konnte sie kaum etwas erkennen, aber diese Gestalt hinter der Wand aus Rauch war deutlich größer als ihr Bruder.
„Ich bin hier“, drang da Max’ Stimme leise unter dem Schreibtisch hervor. Paula seufzte. Logisch, dass sich der kleine Feigling sofort versteckt
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