Ein Gespenst auf Schatzjagd - Sherlock von Schlotterfels ; 1
an.
Sherlock lächelte zufrieden.
„Die Hochzeit wurde also geplant. Theresia bekniete meinen Vater, aber der war unerbittlich. Er hatte dem Herzog sein Wort gegeben. Da gab es kein Zurück. In der Nacht vor der Hochzeit ritt Theresia zu dem Schloss des Herzogs. Sie flehte ihn an, sie aus dem Eheversprechen zu entlassen. Aber der lachte nur. Da fasste Theresia einen Entschluss: Lieber wollte sie ihre Heimat verlassen, als diesen schrecklichen Menschen zu heiraten. Sie ritt noch einmal nach Hause zurück, um mir Lebewohl zu sagen. Noch in derselben Stunde verließ sie unser Schloss. Damals wussten wir nicht, dass es ein Abschied für immer sein sollte …“
Gedankenversunken lehnte Sherlock Freiherr von Schlotterfels am Kamin und starrte in die Flammen.
„Wie traurig“, sagte Paula.
„Aber wo wollte Theresia denn hin?“, fragte Max.
Ohne sich umzudrehen, antwortete Sherlock: „Zu unserer Tante.“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Puterrot ist der Herzog angelaufen, als er am nächsten Morgen alleine vor dem Traualtar stand und Theresia nicht erschien. Die Leute machten sich über ihn lustig und begannen zu tuscheln. In den Straßen zeigten die Lumpenkinder auf ihn und lachten. Das konnte der eitle Gimpel natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Und so ersann er eilig eine schamlose Lügengeschichte.“
Plötzlich holte Sherlock Freiherr von Schlotterfels Schwung und kreiste als kühler Wirbelsturm über den Köpfen der Kinder. Von Lillys aufgeregtem Gebell begleitet schrie er mit geballten Fäusten: „Oh, dieser Herzog! Er behauptete dreist, Theresia sei eine Diebin! Und sie habe sich nur aus einem einzigen Grund mit ihm verlobt: um ihm seinen Riesendiamanten zu stehlen. Erst habe Theresia ihm das Geheimnis seines Verstecks entlockt und sich dann mit dem wertvollen Edelstein aus dem Staub gemacht.“
Paula war schon ganz schwindelig vom Zuschauen und erleichtert, als das Gespenst wieder in seinen Sessel sank.
„Aber das war doch gelogen, oder?“
„Natürlich!“, grollte Sherlock.
Max zog sich die Beine seiner Schlafanzughose über die kalten Füße. „Und was passierte dann?“
„Ha!“, stieß das Gespenst hervor. „Kaum dass mir diese Geschichte zu Ohren gekommen war, ließ ich mein Pferd satteln und ritt zum Schloss des Herzogs. Ich stellte ihn zur Rede. Als er bei seiner skandalösen Behauptung blieb, forderte ich ihn zum Duell heraus. Schließlich hatte er die Ehre meiner Schwester und damit die meiner gesamten Familie in den Schmutz gezogen!“
„Pistolen oder Degen?“, fragte Max erwartungsvoll.
„Degen!“, zischte Sherlock und war blitzschnell wieder auf den Beinen. „Es war im Morgengrauen“, berichtete er mit Grabesstimme. „Der Herzog, nebst Hund, unsere beiden Sekundanten und ich trafen uns zur verabredeten Stunde auf dem Karlsberg.“
„Den Karlsberg kenn ich!“, rief Paula.
„Wir zückten die Degen.“ Freiherr von Schlotterfels nahm Fechtposition ein und spannte die Muskeln. „Der Sekundant des Herzogs gab das Zeichen. Das Scharmützel auf Leben und Tod begann! Wir kreuzten unsere Klingen. Da! Nimm dies! Und nimm das!“, rief er aus und stach dabei mit der Hand, die den nicht vorhandenen Degen umklammert hielt, in die Luft.
„Für den Herzog sah es schlecht aus. Schon hatte ich ihm eine Wunde am Oberarm beigebracht. Doch ich hätte wissen sollen, dass er kein Ehrenmann war. Unbemerkt von den Sekundanten gab er seinem Hund den Befehl, mich zu beißen. Aber der kleine Kerl mochte mich. Schon so manches Mal hatte ich ihm Leckereien zugesteckt, wenn der Herzog ihn wieder zur Strafe hungern ließ. Der Hund verweigerte den Befehl. Da griff der Fiesling zu einer anderen List. Er stellte mir ein Bein. Ich strauchelte und fiel vornüber in seine Klinge hinein!“
Paula und Max hielten den Atem an, als das Gespenst jetzt die entscheidende Szene des Duells für sie nachspielte. Eben noch hielt es den rechten Arm in die Höhe, dann stolperte es, erstarrte in der Bewegung, ließ den nicht vorhandenen Degen fallen und fasste sich an die Brust. Es senkte den Kopf und blickte auf seine Hand, drehte sich kurz zu Paula und Max um und hauchte: „Blut! Ich bin tödlich getroffen!“ Dann ließ es den Kopf zur Seite kippen, fiel auf die Knie und schlug schließlich der Länge nach auf den Boden.
Max und Paula sprangen auf. „Alles in Ordnung?“, riefen sie im Chor.
Mit einem überaus zufriedenen Lächeln stützte Sherlock sich auf die Ellenbogen. Er war sichtbar
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