Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
sich für das, was Daryl tat, interessierte, doch in Wirklichkeit starrte er immer wieder zum steilen Ufer des Billabongs.
»Ah, da haben wir ja den Übeltäter.« Daryl zog unter der Instrumentenkonsole einen losen Draht hervor, den er vor dem Start absichtlich gelockert hatte, um an diesem Ort landen zu können.
»Muss sich gelöst haben, als ich heute Morgen die Instrumentenanschlüsse kontrolliert habe.« Er zog unter dem Sitz einen kleinen Reparaturkasten hervor und befestigte den Draht mit einer Kabelklemme und Isolierband wieder an der Temperaturanzeige. »Übrigens, wo sind wir hier eigentlich?«
»Pigeon Pool.«
»Wo Floyd Buttler verschwand? Interessant. Da muss ich mich gleich mal ein wenig umsehen.« Daryl warf die Klebebandrolle in den Werkzeugkasten und ging schnurstracks zum Billabong. Er drehte sich um und winkte Ray herbei, doch der junge Farmarbeiter blickte ihm nur mit versteinerter Miene nach.
Als Daryl an die Uferböschung trat, fuhr ihm ein eisiger Schauder über den Rücken. Der Pigeon Pool strahlte etwas Unheimliches, fast Bedrohliches aus. Seine dunkle, olivgrüne Oberfläche lag absolut glatt vor ihm. Kein Sonnenstrahl schien hindurchzudringen.
Soweit Daryl sehen konnte, waren die Ufer mit einem dichten Gürtel aus Schraubenpalmen, mächtigen Flusseukalypten, weit ausladenden Papierrindenbäumen und allerlei Gestrüpp bewachsen. Problemlos bis zum Wasser vordringen konnte man nur von der Stelle aus, an der er stand. Auf einer Breite von gut drei Metern führte die sandige Böschung in einem steilen Winkel wenige Schritte hinab ans Ufer.
»An Ihrer Stelle würde ich da nicht zu lange herumstehen«, schreckte ihn der junge Stockman aus seinen Gedanken.
»Und wieso?«
»Das ist die Stelle, an der Kängurus zur Tränke gehen und wo man Buttlers Kleider gefunden hat. Krokodile sind schlau. Sie merken sich solche Plätze.«
Daryl wusste das. Er wusste auch, dass die Panzerechsen wenn nötig bis fast zur Schwanzspitze aus dem Wasser schnellen konnten, um Beute zu machen. Er kannte Fälle, wo Angler, die in mehr als zwei Metern Höhe über dem Wasser auf einem Ast gesessen oder am Ufer gestanden hatten, von einem Leistenkrokodil geschnappt worden waren. Der Beschreibung nach war das einäugige Krokodil ein alter, schlauer Bursche. Es hatte gelernt, sich vor seinem größten Feind, dem Menschen, zu verstecken. Dies hieß aber nicht, dass es ihn nicht angreifen würde, wenn es Gelegenheit dazu bekam.
Am Abend herrschte zum ersten Mal so etwas wie Betriebsamkeit im Aufenthaltsraum der Stockmen. Poison-Joe hatte sechs Mann zur Farm zurückgebracht, die in den kommenden Tagen die Landepiste sowie die Koppeln, in denen die Rinder am Ende des Viehtriebs für den Abtransport eingesperrt wurden, instand setzen sollten.
Unter ihnen weilte auch Bruce Pierson, ein schlanker, sehniger Typ mit dunklen, zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren. Wie die übrigen Stockmen begegnete auch er dem Neuen in ihren Reihen mit Freundlichkeit, aber auch mit Zurückhaltung. Sobald er sich jedoch unbeobachtet fühlte, betrachtete er Daryl mit unverhohlener Neugier.
»Na, wie geht’s dem Wackelschwanz?«, fragte Poison-Joe, als Daryl neben ihn trat. Er half Meena bei der Zubereitung des Abendessens, indem er das Grillen der riesigen Rindersteaks übernahm.
»Alles bestens. Der Vogel ist einsatzbereit. Eines muss ich Buttler lassen: Seinen Hubschrauber hat er peinlich genau in Schuss gehalten.«
»Ja, was seinen Grashüpfer anging, war er ein ziemlicher Pedant.«
»Und sonst?« Daryl reichte ihm eine Coladose.
»Danke. Sie wollen wissen, was er sonst so für ein Typ war?«
Daryl nickte. Er warf einen Blick zu Meena, die gerade einen Süßkartoffelauflauf aus dem Ofen zog.
»Zuverlässiger Arbeiter, mieser Charakter.«
»Dann sind Sie nicht traurig, dass er verschwunden ist?«
»Müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich ihm nachweine. Und das hat nichts damit zu tun, dass der Boss ihn mir damals vorgezogen hat, als es um die Wahl des neuen Vorarbeiters ging.« Geschickt wendete Poison-Joe einige Fleischstücke. »Ich kann’s schwer beschreiben. Aber wenn ich ihm in die Augen sah, dann war da etwas, was mir sagte, dass man dem Kerl nicht trauen konnte.« Poison-Joes Antworten waren offen und direkt, das gefiel Daryl.
Der alte Farmarbeiter machte keinen Hehl daraus, dass er Floyd Buttler nicht besonders gemocht hatte. Und da war er nicht der Einzige. Langsam beschlich Daryl das Gefühl, er
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