Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
ließen es an einem Seil ins Wasser hinabgleiten. Anschließend holte Daryl eine der Planen sowie eine Axt aus dem Fahrzeug und rutschte die sandige Böschung hinunter. Der Aborigine folgte ihm mit den Rudern.
Als sie den umgestürzten Baumstamm erreichten, befreite Daryl den Torso aus dem Geäst. Sofort flog ein Schwarm Schmeißfliegen auf, die die Leiche lange vor ihnen entdeckt und bereits als Eiablageplatz genutzt hatten. Mit der Axt zog er Buttlers Überreste vorsichtig an den Bootsrumpf. Im Gegensatz zu Murgura hatte er sich ein feuchtes Tuch vor das Gesicht gebunden. Trotzdem war der Geruch, der von der Leiche ausging, so stark, dass Daryl nur mit Mühe gegen die aufkommende Übelkeit ankämpfen konnte. Dem Aborigine schien das nichts auszumachen, jedenfalls verzog er keine Miene. Sie breiteten die Plane aus, führten sie unter dem Körper hindurch und hoben ihn dann in das Boot.
Wieder am Ufer, verknoteten sie die Enden der Plane. Da die Böschung zu steil war, um Buttlers Leichnam hinaufzutragen, mussten sie ihn an einem Seil befestigen und heraufziehen. Diese Aufgabe übernahm Bill Murgura. Daryl verstaute unterdessen die Ruder im Boot. Anschließend warf er dem Aborigine das Bootstau zu. Während der Aborigine am Seil zog, schob Daryl von unten.
Plötzlich hielt Murgura inne. »Vorsicht, hinter Ihnen!«
Daryl wirbelte herum, verlor auf dem weichen Untergrund den Halt und rutschte aus. Obwohl sich seine Finger sofort in den sandigen Boden krallten, konnte er nicht verhindern, dass er bis ganz hinunter ans Ufer und halb ins Wasser glitt.
Keine sechs Meter von ihm entfernt war das einäugige Krokodil aus dem Billabong aufgetaucht. Obwohl nur der Kopf und ein Teil des Rückens aus dem trüben Wasser ragten, überraschte ihn die Größe des Reptils. Allein der breite Schädel mit dem mächtigen Kiefer maß bestimmt einen Meter. Die langen, spitzen Zähne, die selbst bei geschlossenem Maul zu sehen waren, erweckten den Eindruck, als würde die Panzerechse höhnisch grinsen. Am erschreckendsten war jedoch das direkt auf ihn gerichtete, goldgelb schimmernde Auge des Reptils. Es fixierte ihn und schien ihn hypnotisieren zu wollen.
Wie gelähmt starrte Daryl auf das riesige Tier, das sich lautlos auf ihn zubewegte. Er wusste, dass er sich schleunigst aufrappeln und den steilen Abhang hinaufklettern musste, aber er schaffte es einfach nicht.
»Auf die Seite!«, befahl Bill Murgura und ließ im selben Augenblick die Bootsleine los.
Daryl riss den Kopf herum, sah, wie das Aluminiumboot auf ihn zuschoss, und rollte herum. Zischend sauste der Bootsrumpf haarscharf an ihm vorbei in den Billabong, wo er das Reptil mit einem dumpfen Knall an der Schnauze traf. Eine Wasserfontäne spritzte auf, nahm Daryl für einen Augenblick die Sicht. Als er das Krokodil wieder zu Gesicht bekam, blickte er geradewegs in sein gewaltiges, weit aufgerissenes Maul. Er war sicher, dass das wütende Tier sich nun endgültig auf ihn stürzen und ihn mit seinen mächtigen Kiefern zerfetzen würde, doch dann riss es den Kopf herum und schnappte nach dem Aluminiumboot. Mit einem metallischen Knirschen schlugen sich die spitzen Zähne in den Rumpf und wirbelten das Boot mit einer einzigen, heftigen Kopfbewegung zur Seite.
Endlich gelang es Daryl, sich aus seiner Erstarrung zu befreien. Er rappelte sich auf. Hastig und auf allen vieren kroch er die Böschung hoch, in der Hoffnung, schneller als das einäugige Krokodil zu sein. Er hatte es fast geschafft, da rutschte er erneut aus. In diesem Moment packte ihn Murguras Hand und zog ihn das letzte Stück hoch in Sicherheit.
Daryl sank keuchend in die Knie und wandte sich um. Das einäugige Krokodil war verschwunden.
Er suchte die Wasseroberfläche nach dem Reptil ab, doch der silberne Bootsrumpf, der langsam in die Mitte des Billabongs trieb, war das Einzige, was sich auf der trüben Oberfläche bewegte.
»Wo ist es hin?«
Der Aborigine schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung. Aber es ist noch da, beobachtet uns durch das Wasser.«
Daryl richtete sich auf. Sein Herz raste noch immer. Ohne Bill Murguras rasches Handeln wäre er tot. Unglück geschieht immer durch Unvorsichtigkeit und Ignoranz , hätte Ungjeeburra wohl gesagt und er hätte recht gehabt. Daryl war schon zu lange nicht mehr draußen im Busch gewesen. Sein Instinkt hätte ihn warnen müssen. Es war höchste Zeit, sich wieder auf das zu besinnen, was er von den Eingeborenen gelernt hatte. In der Großstadt hatte er für dieses
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