Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
Leiche war ziemlich abstoßend. Ich habe so was noch nie gesehen, das ist alles«, antwortete der Stockman. »Wie kommt es eigentlich, dass Ihnen das nichts ausmacht?«
Der misstrauische Unterton in Ray Hills Stimme war Daryl nicht entgangen. »Wenn Sie glauben, ich hätte das so einfach weggesteckt, irren Sie sich. Aber jemand musste ihn ja da rausholen.«
»Und was ist mit dem Angriff des einäugigen Crocs? Der hat Sie offenbar auch nicht weiter aus der Fassung gebracht. Für jemanden, der um ein Haar im Magen eines Krokodils gelandet wäre, sehen Sie jedenfalls ziemlich fit aus.«
»Ob Sie es nun glauben, oder nicht: Gestern hatte ich die Hosen gestrichen voll. Aber heute bin ich einfach nur froh, dass ich noch lebe.«
Die Tür ging auf, und Martin Barrow trat in den Raum. »Okay, Leute, Zeit, zu den Sammelkoppeln zu fahren. Ach, und Simmons, Sie möchte ich vorher noch kurz sprechen.«
Martin Barrow hatte angenommen, dass Daryl die Station verlassen würde. Die Leiche des Vorarbeiters war gefunden worden, und die Todesursache schien festzustehen. Umso überraschter – und erleichterter – war er, als ihm Daryl eröffnete, dass er noch keinerlei Veranlassung sah, abzureisen.
»Sehen Sie«, begann Daryl, als er in Martin Barrows Wohnzimmer Platz genommen hatte, »bevor ich nicht den rechtsmedizinischen Bericht vorliegen habe, werde ich die Station nicht verlassen. Selbst dann nicht, wenn Buttlers Todesursache durch die Sektion nicht eindeutig festgestellt werden kann oder die Ärzte auf Tod durch Krokodilangriff tippen.«
Barrow wollte etwas sagen, doch Daryl hob die Hand.
»Ich weiß, was Sie sagen wollen. Wenn der Coroner keine eindeutigen Beweise für einen Mord findet, wie soll man beweisen, was wirklich geschehen ist? Ganz einfach, mit Zeit und einer Menge Geduld.«
»Immer vorausgesetzt, dass wirklich ein Verbrechen vorliegt«, warf der Rinderzüchter ein.
»Davon gehe ich mittlerweile aus. Und das sagt mir nicht nur mein Gefühl. Einige Ihrer Männer – und auch Meena – verhalten sich ziemlich merkwürdig. Bisher konnte ich zwar nicht herausfinden, ob das tatsächlich etwas mit Floyd Buttlers Tod zu tun hat, aber ich bin auch erst am Anfang meiner Ermittlungen. Warten wir den Untersuchungsbericht ab.« Daryl lächelte. »Und haben Sie bitte Verständnis, dass ich Ihnen im Augenblick noch nicht mehr über meine Vermutungen sagen möchte. Ich halte es wie die Eingeborenen: Komm erst aus deinem Versteck und schleudere deinen Bumerang, wenn du sicher bist, dass du dein Ziel auch triffst.«
Barrow strich sich nachdenklich übers Kinn. »Und was ist mit Paul Garratt? Er erwartet bestimmt, dass Sie wieder nach Perth zurückkommen.«
»Das«, erwiderte Daryl und grinste spitzbübisch, »lassen Sie beruhigt meine Sorge sein. Außerdem war es Chief Garratts eigene Idee, dass ich hierherkomme. Ich tue also genau das, was er von mir erwartet, ich kläre Buttlers Tod auf und ersetze Ihren fehlenden Hubschrauberpiloten.«
Am übernächsten Tag waren auch die letzten Hengste kastriert und alle Fohlen mit Brandzeichen versehen worden. Die Stimmung unter den Männern war ziemlich ausgelassen, hatten sie doch den ersten wichtigen Teil des jährlichen Viehauftriebs erfolgreich abgeschlossen. Bis auf Mrs. Sharp, die immer wieder erzählte, wie grausig der Anblick der halb verwesten Leiche im Billabong gewesen war, schienen alle Floyd Buttlers Tod schon vergessen zu haben.
Am nächsten Tag hatten die Männer zum letzten Mal für mehrere Wochen einen freien Tag. Es war ihnen anzumerken, dass sie sich darauf und auf das Zureiten, das auf Mount Keating den Beginn des eigentlichen Viehauftriebs markierte, freuten.
Nach der Arbeit saßen sie um das große Lagerfeuer, tranken Tee, redeten und schlossen Wetten ab, während im Westen die Sonne langsam hinter den Hügeln versank, den Abendhimmel in blutiges Rot tränkte und die bizarren Felsen zum Leuchten brachte, als bestünden sie aus flüssiger Lava. Allmählich wurden die Schatten länger, schoben sich wie ein graues Tuch über das glühende Gestein, bis dessen Feuer allmählich erlosch.
Daryl hatte sich freiwillig zum Küchendienst gemeldet. Er wollte sich noch einmal mit Meena und der Köchin unterhalten. Von den Eingeborenen würde er kaum etwas erfahren, das war ihm bereits am zweiten Abend klar geworden, als er vergeblich versucht hatte, das Gespräch beim Essen auf den Billabong und Buttlers Verschwinden zu lenken. Einen Aborigine gegen seinen
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