Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
mit den Schultern. »Kannst du gern versuchen. An deiner Stelle würde ich mir aber mehr Sorgen um den Neuen machen.«
Ray richtete sich mühsam auf und lehnte sich gegen den Baumstamm. »Was … meinst du damit?«
»Irgendwas stimmt mit diesem Simmons nicht, das spüre ich.«
»Und wie kommst du darauf?«
Bruce schüttelte langsam den Kopf. »Weiß nicht. Aber ich hab einen Riecher für so was.« Er zog ein Feuerzeug aus der Tasche und zündete die Zigarette an. Dann drehte er sich um und ging.
Daryl blieb in seinem Versteck, bis auch Ray gegangen war. Dann kehrte er zu seinem Lagerplatz zurück und schlüpfte in seinen Schlafsack.
Für Bruce Pierson verhielt er sich also verdächtig. Doch warum? Daryl war überzeugt, sich bisher weder besonders auffällig noch übertrieben neugierig verhalten zu haben. Vielleicht hatte Bruce das also nur erfunden, um Ray zu verunsichern – was ihn jedoch gleich zur nächsten Frage brachte. Was hatte Bruce davon? Vermutlich war es bei der Auseinandersetzung eben um Meena gegangen. Hielten die beiden ihn für einen Konkurrenten im Kampf um die Gunst des Mischlingsmädchens?
Gegen vierzehn Uhr am nächsten Tag erschien Martin Barrow im Camp, um Ray Hill und Daryl abzuholen und zur Station zurückzubringen. Sie sollten bei der Pferdekoppel alles für die Ankunft der ausgemusterten Reitpferde vorbereiten, die gerade von den Sammelkoppeln im Busch zur Farm getrieben wurden.
Diese Arbeit wurde bewusst in die Mittagsstunden verlegt, in die Zeit der größten Hitze, weil die Pferde dann am trägsten waren und die Gefahr, dass sie durchgingen, am kleinsten war. Übernommen wurde der Auftrieb der Pferde von den schwarzen Stockmen. Sie waren nicht nur besonders begabte Reiter, die sich sehr gut im Busch auskannten und ein besonderes Geschick im Umgang mit den Tieren bewiesen, sie konnten ganz im Gegensatz zu den meisten weißen Stockmen auch in brütender Hitze von morgens bis abends im Sattel sitzen, ohne dass ihnen das viel ausmachte. Auf den Rinderfarmen waren sie daher gern gesehene und geschätzte Arbeitskräfte.
Martin Barrow steuerte den Landcruiser gerade durch die steinige Furt eines Baches, als sich Mrs. Sharp über Funk meldete. Ihre Stimme klang aufgeregt und überschlug sich beinahe.
Als der Landcruiser das Ufer erreichte, hielt der Rinderzüchter an und griff nach dem Mikrofon. »Mount-Keating-Mobile-3, was ist los, Agnes?«
»Ich bin am Pigeon Pool. Sie werden’s nicht glauben, aber ich habe wohl Floyd Buttler gefunden.«
»Wir sind auf dem Weg«, rief Barrow ins Funkgerät. Er warf Poison-Joe und Daryl einen düsteren Blick zu, dann drückte er aufs Gaspedal.
Das Gesicht der Köchin war kreidebleich. Sie saß hinter dem Steuer ihres alten Landrovers und starrte mit weit aufgerissenen Augen zum Billabong, als erwartete sie jeden Moment den Angriff des einäugigen Krokodils.
Als Daryl an ihr Seitenfenster klopfte, zuckte sie zusammen.
Langsam öffnete sie die Tür und zwängte schnaufend ihren massigen Körper nach draußen. »Da drüben«, sagte sie mit rauer Stimme und zeigte auf eine dicht bewachsene, steil abfallende Uferstelle in gut zehn Metern Entfernung. Dort lagen vier Drahtkorbnetze. »Ich war gerade dabei, die Krabbenkäfige einzuholen, die ich vorgestern ausgelegt habe. Als ich den letzten Korb hochzog, blieb er an irgendwas hängen. Das ist nicht ungewöhnlich, es liegen eine Menge Bäume im Billabong. Als ich ihn freibekam und hochzog, tauchte daneben irgendwas auf. Erst dachte ich, es wäre eine Langhalsschildkröte, doch dann sah ich, dass es viel größer war. Ich erschrak, glaubte, es wäre das einäugige Krokodil.« Sie schluckte. »War’s aber nicht.«
Daryl nickte ernst und ging mit Martin und Ray zu den Fangkörben hinüber.
Zwischen den kahlen Ästen eines vor langer Zeit in den Pool gestürzten Baumes lag ein aufgedunsener, menschlicher Leichnam. Genau genommen handelte es sich lediglich um einen Torso, denn soweit Daryl das von seinem Standort aus feststellen konnte, fehlten ihm beide Beine, ein Arm und der Kopf. Die Haut wirkte bleich und wächsern wie eine alte Kerze. An einigen Stellen wies der Körper schwarze, an anderen grünliche oder gräuliche Verfärbungen auf.
Eine Wasserleiche bot immer einen unangenehmen Anblick, doch bei den Resten, die von Floyd Buttler übrig geblieben waren, drehte es Daryl fast den Magen um. Seinen Begleitern ging es nicht anders.
Als ein kaum spürbarer Windhauch süßlichen
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