Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
die Bäume in den verschiedensten Grüntönen glitzerten. Daryl genoss den Ausblick und freute sich auf die Arbeit, die vor ihm lag.
Von seinen Erkundungsflügen wusste er, dass das Gebiet nördlich der Station von unzähligen felsigen Schluchten durchzogen war. Diese waren jedoch meist weniger tief, ihre Ränder flacher und die Vegetation dort war lockerer als in den Schluchten im Süden, wodurch sie aus der Luft besser zu überblicken waren. Außerdem gab es nur wenige Wasserstellen. Das erleichterte Daryl die Arbeit, denn nach der Hitze des Tages sammelten sich die Rinder an diesen wenigen Stellen in großen Gruppen, um ihren Durst zu löschen und die Nacht zu verbringen.
Trotzdem hatte Daryl Mühe, sich aufs Fliegen zu konzentrieren, denn er musste immer wieder an Bruce Pierson denken. Er fragte sich, ob er vielleicht etwas übersehen hatte und mitschuldig an Bruce’ Tod war. Aber so sehr er sich auch anstrengte, er konnte nicht erkennen, wie er die Tat hätte verhindern können.
Bis auf die Auseinandersetzung mit Ray Hill, die Daryl vor einigen Tagen beobachtet hatte, hatte sich Bruce Pierson nur einmal auffällig verhalten, nämlich an jenem Morgen, als Daryl Zeuge des Streits zwischen Bill Murgura und Meena geworden war. Bruce hatte sich versteckt und war Murgura dann zu den Koppeln gefolgt. Mit wem sich der Aborigine dort getroffen hatte, glaubte Daryl inzwischen zu wissen. Doch ob Bruce’ Ermordung mit diesem Ereignis oder mit der Rivalität zwischen ihm und Ray Hill zu tun hatte, war nicht klar. Und doch musste Bruce etwas gewusst oder jemanden bedroht oder vielleicht sogar erpresst haben, sodass er selbst zum Opfer wurde.
Jeder der Männer auf der Station wäre kräftig genug gewesen, um Bruce an dem Dachbalken hochziehen zu können. Doch nur wenige hätten ihm wohl ein Seil um den Hals legen und ihn mit solcher Kraft erdrosseln können, dass dieser sich nicht einmal zur Wehr setzen konnte. Spuren eines Kampfes hatte Daryl jedenfalls weder im Aufenthaltsraum noch rund um das Gebäude finden können. Daryl hatte gesehen, mit welcher Gewandtheit und Leichtigkeit Pierson sich gegen Rays Angriff verteidigt hatte. Es gab also nur eine Schlussfolgerung: Sein Mörder musste ihn von hinten überfallen und in Sekundenschnelle erdrosselt haben.
In diesem Augenblick machte Daryl eine kleine Herde aus, die an einem Seitenarm des Morgan Rivers ihren Durst löschte.
»Echo-Hotel-Lima ruft Mount Keating-Mobile-1, bitte kommen.«
»Hier Mount Keating-Mobile-1. Was gibt’s, geflügelter Cowboy?«, drang Poison-Joes Stimme knisternd an Daryls Ohren.
»Habe am Little Morgan River eine kleine Herde aufgespürt. Kann sie aber nicht ganz bis zu euch rüberbringen, weil der Treibstoff bald zu Ende geht.«
»Okay, ich schicke Ihnen sechs Mann entgegen.«
»Nehmt besser den Bullenrammer mit, da ist …«
Plötzlich stotterte der Motor. Daryl warf einen Blick auf die Treibstoffanzeige. Er hatte noch für mindestens eine halbe Stunde Benzin. Für ein paar Sekunden klang der Motor wieder normal, doch dann stotterte und spuckte die Hughes 300 erneut.
»Scheiße!«, rief Daryl.
»Was ist los, Echo-Hotel-Lima?«, hörte er Poison-Joes besorgte Stimme.
Daryl blieb keine Zeit zu antworten. Als der Motor aussetzte, schmierte die Maschine augenblicklich ab. Verzweifelt zog Daryl den Steuerknüppel nach rechts.
Der Hubschrauber raste nur knapp über ein Felsenkliff. Die Eukalyptusbäume unter ihm verschmolzen zu einer grünen Fläche, kamen mit unglaublicher Geschwindigkeit auf ihn zu. Dann streifte die Hughes die ersten Wipfel. Äste und Blätter schlugen gegen die Plexiglashaube oder durchbohrten sie, und die Rotoren fraßen sich wie eine riesige Kreissäge durch die Baumkronen, ehe sie krachend zersplitterten. Als die Maschine die grüne Blätterwand durchschlagen hatte, war sie nur noch ein flügelloses, totes Insekt.
Das Letzte, was Daryl sah, war eine olivgrüne Wand, die in Lichtgeschwindigkeit auf ihn zuzurasen schien.
Als Daryl zu sich kam, stand ihm das Wasser buchstäblich bis zum Hals. Zunächst wusste er nicht, wo er war, doch dann dämmerte es ihm langsam. Das Stottern des Motors, das plötzliche Abschmieren der Maschine, die auf ihn zuschießenden Baumwipfel und dann … Weiter erinnerte er sich nicht. Immer noch benommen hob er den Kopf und sah sich um.
Die Hughes 300 war zum Glück an einer nicht allzu tiefen, sandigen Stelle in den Fluss gestürzt, wodurch der Aufprall gemindert worden war. Das
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