Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
gewesen.
»Trotzdem, ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass unser Baby-Ray zu einem Mord fähig ist. Deshalb hab ich der Polizei auch nichts davon erzählt«, beendete Poison-Joe seine Ausführungen. »Was meinen Sie? War das falsch?«
»Kann ich nicht beurteilen. Sie kennen ihn besser als ich.«
Poison-Joe nickte. »Ja, tue ich. Und solange es keinen Beweis gibt, dass Buttler eines unnatürlichen Todes gestorben ist, halt ich auch weiterhin den Mund.«
»Was ist mit Bruce?«
»Als er hier auftauchte, war er ein richtiges Greenhorn. Hielt sich für ’ne ganz harte Type, aber die körperliche Arbeit hat ihn rasch kuriert. Manchmal denke ich, er hat die Kurve gekriegt. Dann wiederum bin ich mir nicht sicher, ob man ihm wirklich trauen kann.«
»Wie kam er mit Buttler aus?«
»Ging so. Floyd nahm ihn hart ran. Das sorgte anfangs ein paar Mal für dicke Luft zwischen den beiden. Aber Agnes brachte das in Ordnung. Allerdings, Busenfreunde wurden die zwei nie.«
»Und wie steht’s mit Ray?«
Poison-Joe kniff die Augen zusammen. »Sie wissen von der kleinen Rangelei zwischen den beiden?«, fragte er vorsichtig.
»Der Boss hat mir davon erzählt.«
»Da ging’s wohl auch um Meena. Merkwürdig ist, dass Bruce sich erst nach Buttlers Verschwinden für das Mädchen zu interessieren begann.«
Daryl war unschlüssig, was er von Poison-Joe halten sollte. Einerseits schien er eine ehrliche Haut zu sein, andererseits belastete ihn seine Vergangenheit. Ohne Zweifel gehörte Poison-Joe zum engsten Kreis der Verdächtigen. Im Moment fehlten aber noch immer eine ganze Reihe von Puzzleteilen. Bevor er die nicht gefunden und richtig zusammengesetzt hatte, wollte Daryl nichts überstürzen. Deshalb beschloss er, den Haftbefehl gegen den Farmarbeiter vorläufig zu ignorieren und ihn erst einmal nicht festnehmen zu lassen.
»Wie wär’s vor dem Zubettgehen mit einem Schlummertrunk?«, wechselte Daryl das Thema. »Habe eine kleine Flasche irischen Whisky im Hubschrauber. Für alle Fälle.«
Ein schwaches Lächeln umspielte den Mund des alten Mannes. »Haben Sie denn etwas zu feiern?«
»Eigentlich nicht. Dachte nur, Sie hätten vielleicht auch Lust auf einen Schluck.«
»Ist nett, aber nein danke.«
»Ich dachte auch nicht, dass wir uns betrinken. Ich weiß ja, der Boss will nicht, dass auf der Station Alkohol konsumiert wird.«
»Das ist es nicht. Ich trinke nur nicht.«
»Was?«, rief Daryl überrascht. »Ein alter Dingo-Jäger wie Sie?«
»Glauben Sie mir, es war nicht leicht. Durch meine Kehle ist schon mehr Alkohol geflossen, als zwei Ihrer Sorte in ihrem ganzen Leben je trinken werden.« Er lächelte grimmig. »Erst glaubt man, man könnte ewig so weitermachen. Aber irgendwann passiert etwas, und man muss sich entscheiden. Entweder säuft man sich zu Tode, oder man stellt sein Leben um. Ich hab die Kurve gerade noch gekriegt. Heute genehmige ich mir zwei- bis dreimal im Jahr ein Gläschen Bier. Das reicht.«
»Was war es? Ich meine, wie haben Sie es geschafft, sich zu ändern?«
Poison-Joe sah Daryl fest in die Augen. »Ich habe das Böse in mir gesehen.«
10
Daryl war früher als üblich aufgestanden, weil er den Hubschrauber noch auftanken musste. Als er zum Duschhaus ging, hörte er plötzlich Schreie aus dem Aufenthaltsraum der Farmarbeiter.
Er lief hinüber und riss die Tür auf. Sein Blick fiel auf Mrs. Sharp. Sie drehte sich zu ihm um und starrte ihn mit großen Augen an. Dann schlug sie die Hände vors Gesicht. Daryl trat neben sie. Jetzt erst sah er den Körper, der vom Querbalken des Wellblechdaches herabhing.
Kurz hintereinander stürzten mehrere Stockmen in den Raum. Sobald sie den Toten sahen, blieben sie abrupt stehen oder wichen langsam zurück.
Poison-Joe drängte sich durch die Gruppe der Männer. »Verdammt, steht nicht wie die Ölgötzen rum«, rief er zornig, als er den erhängten Farmarbeiter sah. »Bringt Mrs. Sharp hier raus und holt den Boss, wird’s bald?« Er trat neben Daryl und blickte zu dem Toten auf.
Bruce Piersons Augen waren weit geöffnet. Er sah aus, als starrte er mit strafendem Blick auf sie herunter.
Poison-Joe schüttelte ungläubig den Kopf. »Scheiße, warum hat sich der Kerl denn bloß umgebracht?«
Bis auf Daryl und Poison-Joe hatte Martin Barrow alle Männer nach draußen geschickt, wo sie nun durch die Fenster und die offene Tür starrten.
»Sollten wir ihn nicht langsam mal da runterholen?«, fragte Poison-Joe.
Barrow warf Daryl
Weitere Kostenlose Bücher