Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
Steinen abgedeckt. Als Daryl hineingriff, ertastete er einen länglichen Gegenstand, der in Plastik eingewickelt war. Darin befanden sich Poison-Joes Winchester, fein säuberlich in Stoff verpackt, sowie Floyd Buttlers Sparbuch.
15
D er einzige Landeplatz für den Hubschrauber lag auf der anderen Seite der Hügelkette.
Für die schätzungsweise drei Kilometer bis zur heiligen Höhle der Frauen brauchte Daryl über eine Stunde, denn das Gelände war steil, unwegsam und teilweise dicht bewachsen. Erst als er die gegenüberliegende Bergseite erreichte, kam er besser voran. An ein paar Stellen waren von Wind und Regen in Jahrmillionen aus dem Berg herausgelöste Gesteinsschichten ins Tal gerutscht und hatten Schneisen aus blankem Felsen hinterlassen, denen Daryl wie auf gepflasterten Wegen folgen konnte. Unten waren die meisten dieser Felsen in große Quader zerbrochen, die nun wie rote Inseln aus dem dichten, grünen Kranz aus großen Eukalypten und undurchdringlichem Buschwerk herausragten.
Die heilige Höhle der Frauen lag leicht erhöht auf einem kleinen Plateau. Eine riesige Steinplatte hatte sich über einen Einschnitt in der Bergflanke geschoben, sodass eine Höhle entstanden war, die recht geräumig sein musste und in die entlang des Einschnitts auch Licht gelangen konnte. Vor dem hohen, schmalen Eingang bildete ein überhängendes Kliff eine Art Vordach. Darunter zierten filigrane Felsmalereien die Wände.
Daryl wusste, dass die Gesetze der Aborigines keinem Mann – und schon gar keinem Fremden – erlaubten, eine heilige Höhle der Frauen zu betreten. Wer es dennoch wagte, der musste sterben. Zumindest war das früher so gewesen. Die Höhle selbst war eine Stätte des Friedens. In ihr durfte niemand getötet werden. Auch böser Zauber war hier wirkungslos.
Die Felsmalereien waren verblichen und teilweise von Lehmwespen, die ihre Nester über ihnen errichtet hatten, zerstört worden. Dies ließ vermuten, dass nur noch selten Eingeborenenfrauen hierherkamen. Aus Respekt vor den Sitten und Gebräuchen der Ureinwohner wollte er die Höhle aber nur im äußersten Notfall betreten.
Daryl kletterte auf das Plateau und setzte sich an dessen Rand. Ehrfürchtig betrachtete er die uralten Felszeichnungen. Er entdeckte abstrakte Zeichen, deren Bedeutung er nicht verstand, aber auch Darstellungen von Frauen und Kindern, von Geburt und Tod. Eine Szene zog sein Augenmerk besonders auf sich. Es war die einer schwangeren Frau, in deren Seele eine Art Geist eindrang und durch ihren Körper weiter in das ungeborene Kind wanderte. Dieses Bild war das Einzige, das durch kräftige Farben und scharfe Konturen auffiel. Offenbar war es erst kürzlich frisch übermalt worden.
In diesem Moment trat Meena aus der Höhle. Als sie Daryl sah, zuckte sie zusammen und wich zurück, bis sie mit dem Rücken an die Felswand stieß. »Was machen Sie hier?«, fragte sie mit zittriger Stimme.
»Ich wollte wissen, wie es Ihnen geht.«
Meena, die lediglich mit einem schwarzen Tuch um ihre Taille bekleidet war, schien sich ihrer Blöße nicht bewusst zu sein, oder sie wirkte viel zu sehr in Sorge, dass jemand Daryl gefolgt sein könnte, um darüber nachzudenken. Jedenfalls blickte sie sich ängstlich nach allen Seiten um.
»Keine Sorge, ich bin allein. Es ist mir auch niemand gefolgt«, beruhigte er sie.
»Woher wissen Sie, dass ich hier bin?«
»Durch Jack Djanghara, Ihren Vater. Ich habe ihm erzählt, was geschehen ist, und dass Ihr Halbbruder nicht will, dass man Sie findet.«
»Sie wissen, dass Murgura mein Bruder ist? Woher? Und was wollen Sie von mir?«
»Zunächst einmal möchte ich Ihnen sagen«, meinte Daryl und öffnete in aller Ruhe den kleinen Rucksack, den er neben sich gelegt hatte, »dass Sie vor mir keine Angst zu haben brauchen. Ich habe Ihnen schon einmal meine Freundschaft angeboten, und das Angebot gilt heute noch mehr als früher. Außerdem sollten Sie wissen, dass ich mein Geld eigentlich nicht als fliegender Viehtreiber verdiene, obwohl ich mir das mittlerweile ganz gut vorstellen könnte. Viel mehr bin ich Detective bei der Kriminalpolizei in Perth.«
Meena sah ihn überrascht an. »Dann sind Sie hierhergekommen, um Floyds Verschwinden aufzuklären?«
»Das ist richtig.«
»Seine Leiche wurde aber doch gefunden, warum sind Sie immer noch hier?«
»Weil Floyd Buttler ermordet wurde – genauso wie Bruce Pierson.«
Für einen Augenblick schloss Meena die Augen. Als sie wieder aufblickte,
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