Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
noch schien er sich Sorgen zu machen, weil Meena die Station Hals über Kopf verlassen hatte. Murgura, da war sich Daryl nach dem Gespräch mit dessen Vater sicher, war der Grund für ihre Flucht. Trotzdem verfolgte er sie nicht. Das konnte nur bedeuten, dass er wusste, wohin sie gegangen war. Gleichzeitig schien er aber auch zu wissen, dass sie diesen Ort nicht wieder verlassen konnte.
Wenn er recht hatte, würde sich der Eingeborene auch diese Nacht nicht vom Fleck rühren. Doch Daryl wollte sichergehen.
Gegen zwei Uhr morgens war er überzeugt, dass sich nichts mehr tun würde. Er stand auf, gähnte und streckte seine müden Glieder. In dem Moment, als er nach dem Stuhl griff, um ihn an seinen Platz zurückzustellen, nahm er draußen eine Bewegung wahr. Vorsichtig ging er zurück ans Fenster und spähte in die Dunkelheit hinaus.
Obwohl es zu finster war, um den Unbekannten zu erkennen, war klar, dass es nicht Bill Murgura sein konnte. Die Gestalt war aus einer der anderen Hütten gekommen. Zunächst hielt sie sich im Schatten der Veranda, dann huschte sie über den Platz vor den Unterkünften. Als sie den im schwachen Mondlicht schimmernden Boabbaum passierte, erhellte silbriges Licht einen Augenblick die Silhouette, und Daryl sah, dass es sich um Poison-Joe handelte.
Lautlos verließ er den Aufenthaltsraum und folgte Poison-Joe in einiger Entfernung bis zum steilen Felsufer des Carson Rivers. Als der alte Mann die fast senkrechten Felsklippen hinunterzuklettern begann, wartete Daryl, bis er aus seinem Blickfeld verschwand. Dann eilte er zum Rand der Felsen und riskierte einen vorsichtigen Blick nach unten.
Poison-Joe stieg geschickt zwischen vorstehenden Steinquadern hinunter. An seinem Gürtel hatte er einen Sack befestigt, dessen Inhalt ziemlich leicht sein musste, weil er bei jeder Bewegung hin- und herschwang. Schließlich verschwand Poison-Joe hinter einem großen, vorragenden Felsen. Daryl blieb nichts anderes übrig, als sich die Stelle so gut es ging einzuprägen. Er konnte dem alten Mann nicht nachklettern. Zum einen hätten lose Steine herunterfallen und Poison-Joe verraten können, dass ihm jemand folgte. Zum anderen konnte er nicht wissen, ob der Farmarbeiter nicht jeden Augenblick wieder auftauchte.
Daryl verwischte vorsichtig seine Spuren und versteckte sich einige Meter entfernt hinter einem dicken Eukalyptusbaum.
Fünfzehn Minuten musste er warten, dann erschien Poison-Joe wieder auf der Klippe. Nachdem er sich kurz umgeblickt hatte, ging er zielstrebig zurück zu den Unterkünften. Als er an Daryls Versteck vorbeikam, sah er, dass der Beutel, der zuvor noch an Poison-Joes Gürtel gehangen hatte, verschwunden war.
Daryl wartete fünf Minuten, dann ging er zum Steilufer, suchte die Stelle, an der er Poison-Joe aus den Augen verloren hatte, und kletterte die Felsen hinab.
Der fahle Mondschein warf dunkle, trügerische Schatten über das Gestein, ließ Vorsprünge vermuten, wo keine waren, und zwang ihn, höllisch aufzupassen. Ein Fehltritt und er würde zehn Meter in die Tiefe stürzen. Er fragte sich, wie der alte Mann so rasch die Felswand hatte hinuntersteigen können. Vermutlich war es nicht das erste Mal, und er kannte den besten Weg.
Als Daryl den gewünschten Platz erreicht hatte, befand er sich noch gut sechs Meter über den stillen, bleigrauen Fluten des Carson Rivers. Ein Blick hinüber zum anderen Ufer, wo das Gestein im unteren Bereich eine deutlich hellere Färbung aufwies, zeigte ihm, dass der Fluss in der Regenzeit an dieser Stelle bis zu einer Höhe von schätzungsweise fünf Metern anschwellen konnte. Wenn Poison-Joe hier irgendwo ein Versteck hatte – und davon ging er aus –, konnte es nicht mehr als einen Meter tiefer liegen.
Daryl suchte die infrage kommenden Felsspalten ab. In einer ertastete er den Schwanz einer schlafenden Echse, in der nächsten raschelte es bereits verdächtig, noch bevor er hineingegriffen hatte. Daryl tippte auf eine nachtaktive Pythonschlange und verzichtete daher darauf, die Höhlung zu untersuchen. Die anderen Felsspalten dagegen waren leer. Daryl überlegte. Wenn Poison-Joe parallel zur Felswand weiter nach links oder rechts ausgewichen wäre, hätte ihn die vorstehende Klippe nicht länger verbergen können, und er hätte ihn von oben sehen müssen. Also begann er, das Gestein noch einmal zu untersuchen.
Die Spalte war kaum auszumachen. Sie war zur Hälfte von den verdrehten Wurzeln eines Geistereukalyptus verdeckt, der Rest war mit
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