Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
standen Tränen in ihnen.
»Haben Sie Buttler geliebt?«
»Nein.«
»Das hab ich mir schon gedacht. Trotzdem, das Kind ist von ihm, nicht wahr?«
»Hat Agnes Ihnen das von meiner Schwangerschaft erzählt?«
»Das war nicht nötig. Etwas Beobachtungsgabe reichte völlig aus.«
Nun begann Meena, leise zu weinen.
»Kommen Sie, setzen Sie sich zu mir.« Daryl entnahm dem Rucksack eine Thermosflasche und ein großes, in Folie eingewickeltes Stück Kürbiskuchen, dann schob er alles zu Meena hinüber. »Hier, für Sie. Tee und so viel Kuchen, wie ich Mrs. Sharp abluchsen konnte.«
Das Mischlingsmädchen wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Einen Moment zögerte sie, dann setzte sie sich Daryl gegenüber auf die Felsen. »Das ist ja der halbe Kuchen!«, rief sie aus, als sie ihre Fassung wiedergefunden hatte. »Sie scheinen große Fortschritte bei ihr gemacht zu haben. Oder haben Sie ihr gesagt, dass Sie wissen, wo ich bin, und dass Sie mich aufsuchen wollen?«
»Sie weiß ebenso wenig, dass ich hier bin wie alle andern.«
»Und was ist mit Mr. Barrow? Lässt er mich suchen?«
»Natürlich tut er das, was denken Sie denn? Er macht sich Sorgen, will, dass Sie zurückkommen. Allerdings führen die Eingeborenen ihn ganz schön an der Nase herum.« Daryl lachte verschmitzt. »Oh, selbstverständlich suchen sie gewissenhaft jeden Zentimeter nach Ihnen ab. Aber da sie wissen, wo Sie sind, und Ihr Bruder Ihnen befohlen hat, Sie nicht zu finden, suchen sie eben überall, nur nicht hier.«
Meena füllte sich den Thermosbecher. »Warum sind Sie gekommen?«
»Um Sie zurückzuholen.«
Meena schüttelte energisch den Kopf. »Das geht nicht.«
Daryl aß genüsslich seinen Kuchen. Nach einer Weile blickte er zu den Felsmalereien auf. »Haben Sie das Bild frisch übermalt?«
»Ja.«
»Eine schwangere Frau an einem heiligen Ort, deren Seele ein Geistkind empfängt. Deute ich es richtig?«
Nun sah ihn Meena mit großen Augen an. »Ja, genau. Sie wissen, was Geistkinder sind?«
»Natürlich«, antwortete Daryl, als gehörte dies zum Allgemeinwissen jedes Weißen. »Die Schöpferwesen bringen an den heiligen Stätten unaufhörlich die Seelen der Menschen hervor, die sogenannten Geistkinder. Diese machen sich entweder von sich aus auf die Suche nach ihren Eltern, oder diese suchen nach ihnen. Meist erscheinen sie den Männern im Traum, und diese geben sie dann an die Frau weiter. Doch sie können sich auch direkt mit ihren Müttern verbinden, wenn diese sich an einem heiligen Ort aufhalten. Sollte eine Frau jedoch ein Kind zur Welt bringen, das kein Geistkind, keine Seele, empfangen hat, wird das Baby nach der Geburt sterben.«
Meena war die Verwunderung buchstäblich ins Gesicht geschrieben. »Woher wissen Sie so viel über uns?«, wollte sie wissen.
Daryl erzählte es ihr. »Daher weiß ich auch, dass das regelmäßige Übermalen der heiligen Felszeichnungen wichtig ist, um die Verbindung zu den Vorfahren und ihre Kräfte zu wahren.« Er lächelte traurig. »Leider sind die meisten Malereien hier nicht gerade in einem guten Zustand.«
»Das ist wahr. Die Ältesten des Stammes kommen immer seltener hierher, und die Jungen interessieren sich nicht mehr für die Geschichte dieser heiligen Stätte. Als ich das erste Mal hierherkam, war ich dreizehn. Ich liebte diesen Ort, er war für mich voller Leben. Ich hatte das Gefühl, von unzähligen guten, unsichtbaren Wesen umgeben zu sein. Heute spüre ich das kaum noch. Mit dem Verblassen der Felszeichnungen verschwindet auch die Kraft dieses Ortes. Bald werden hier nie wieder Geburten, geheime Initiationsriten oder andere heilige Zeremonien stattfinden. Die Stammesältesten, die diesen Platz noch aus ihrer Jugend kennen und für die er noch ein Teil ihres Lebens ist, sind alt und werden bald sterben. Mit ihrem Tod wird auch der Kontakt zu den Ahnen abbrechen.«
Daryl glaubte zu wissen, weshalb Meena ausgerechnet diese eine Zeichnung wiederhergestellt hatte. Das Kind, das sie erwartete, war zwar von Floyd Buttler gezeugt worden, doch es sollte eine Seele erhalten, die sich von sich aus an diesem heiligen Ort mit ihr verband und nicht von Floyd an sie weitergegeben worden war.
»Warum wollen Sie nicht mit mir auf die Station zurückkehren?«, fragte er.
Meena senkte den Blick. »Weil Murgura sonst dafür sorgen wird, dass ich mein Kind verliere. Wenn nötig, indem er mich tötet.«
»Ich könnte ihn mir vorknöpfen, nötigenfalls festnehmen.«
»Sie verstehen das nicht.
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