Ein Gespür für Mord - Detective Daryl Simmons 1. Fall
Er fände trotzdem einen Weg. Er gehört dem Stammesrat an, und sein Wort hat viel Gewicht.«
»Dann sind Sie in die heilige Frauenhöhle geflüchtet, weil er Ihnen hier nichts antun kann?«
Sie nickte. »Es ist der einzige Ort, wo ich sicher bin. Er achtet die Jahrtausende alten Gesetze und würde es nie wagen, diese Höhle zu betreten.«
Sie schwiegen einige Minuten.
»Ich denke, ich weiß, wie ich Murgura dazu bringen kann, seine Meinung zu ändern«, meinte Daryl schließlich. »Doch dafür müssen Sie auch etwas für mich tun. Erzählen Sie mir alles, was Sie über Floyds Verschwinden wissen.«
Auf dem Marsch zurück zum Hubschrauber ließ Daryl das eben Gehörte nochmals Revue passieren.
Was Meena widerfahren war, ging ihm unter die Haut. Es bestärkte ihn jedoch auch in seiner Absicht, ihr mit allen Mitteln zu helfen.
Traditionen und Liebe – das waren die Gründe, weshalb Murgura Meenas Kind töten wollte. Kein Zweifel, er liebte seine Halbschwester. Doch tat er das auf eine Weise, die schwer zu verstehen war.
Angefangen hatte alles vor einigen Monaten, als Floyd Buttler damit begann, Meena den Hof zu machen. Diese hatte sich zwar geschmeichelt gefühlt, aber nie vorgehabt, sich mit dem Vormann einzulassen, denn sie war in Ray Hill verliebt. Zunächst glaubte sie, dass dieser das Gleiche für sie empfand, doch nachdem sie vergeblich darauf gewartet hatte, dass er ihr seine Liebe gestand, war sie allmählich unsicher geworden. Schließlich hatte sie gehofft, Ray eifersüchtig zu machen, indem sie mit Buttler flirtete, und ihn so dazu zu bringen, seine wahren Gefühle zu zeigen.
Doch so weit kam es nicht. Eines Tages, als Meena am Pigeon Pool Krabbenfallen auslegte, stand plötzlich Buttler vor ihr und war zudringlich geworden. Er versuchte, sie zu küssen. Als sie sich wehrte, schlug er sie.
Unter Tränen hatte sie Daryl vorhin berichtet, wie sie versucht hatte, sich gegen ihn zur Wehr zu setzen. Doch sie hatte keine Chance. Floyd Buttler vergewaltigte sie und drohte, sie umzubringen, wenn sie es irgendjemandem erzählen sollte. Meena stand unter Schock. Sie fühlte sich mitschuldig an dem, was ihr zugestoßen war, hatte sie doch zugelassen, dass Floyd ihr schöne Augen machte. Sie schämte sich so sehr, dass sie sich schwor, niemals jemandem etwas davon zu erzählen.
Doch es kam noch schlimmer. Als sie bemerkte, dass sie schwanger war, und ihr klar wurde, dass sie das bald nicht mehr würde verheimlichen können, sprach sie mit Buttler. Dieser war außer sich, stieß die wüstesten Drohungen aus und verlangte von ihr, das Kind abzutreiben.
Tage später nahm sie ihren ganzen Mut zusammen und erklärte ihm, sie werde das Kind behalten. Es kam erneut zu einem bitterbösen Streit zwischen ihnen, bei dem ihr Floyd Buttler ein Ultimatum stellte. Am darauf folgenden Morgen prügelte sich Ray mit dem Vorarbeiter.
Meena wusste, dass es bei dieser Auseinandersetzung um sie ging. Sie fand Ray bewusstlos im Geräteschuppen und verarztete ihn. Einen Augenblick lang hatte sie sogar daran gedacht, ihm alles zu erzählen. Doch als er wieder zu sich kam, verließ sie der Mut.
In der folgenden Zeit veränderte sich Rays Verhalten ihr gegenüber. Er ging auf Distanz, und wenn sie ihn ansprach, war er abweisend und manchmal sogar geradezu schroff.
In ihrer Verzweiflung wandte sie sich schließlich an ihren Halbbruder. Dieser knöpfte sich Buttler noch am gleichen Tag vor. Von diesem Moment an ging ihr der Vormann zwar aus dem Weg, ihre Probleme waren damit aber nicht gelöst. Nun war es Murgura, der darauf bestand, dass sie das Baby abtreiben ließ. Um Zeit zu gewinnen, willigte sie schließlich ein. Sie nahm sich zwei Tage frei, fuhr nach Derby und erzählte Murgura, dass sie dort eine Abtreibung vornehmen lassen würde.
Als sie auf die Station zurückkehrte, ließ sie ihren Bruder im Glauben, alles sei wieder in Ordnung. Sie zog weite Kleider an, aus Angst, dass Murgura etwas auffallen könnte, obwohl ihrem Bauch noch nichts anzusehen war. Sie hatte vorgehabt, ihren Halbbruder so lange zu täuschen, bis ein Schwangerschaftsabbruch nicht mehr möglich war. Aber Murgura hatte, als sie ihm die Täuschung schließlich gestand, dennoch darauf bestanden, dass ihr Baby sterben müsse. Für ihn war es eine Angelegenheit des Stolzes und der Ehre. Außerdem war er sicher, dass dieses Kind Meena Unglück bringen würde. So hatte Meena schließlich keinen anderen Ausweg gewusst, als in der heiligen Höhle der Frauen
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