Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Administrator, und daß er ganz oben in Louisville leben wird. Schon jetzt verbringt Siegmund viel Zeit mit den höchsten Führern des Urbmons. Und auch mit deren Frauen, wie Aurea gehört hat.
Er ist jedenfalls ein ausgezeichneter Gastgeber. Sein Apartment ist warm und sehr wohnlich, und zwei der Wände sind mit dem glänzenden neuen Dekorationsmaterial beschichtet, das ein leises Summen in einer veränderbaren Tonlage von sich gibt. Heute Abend hat Siegmund die Wandplatten bis fast zum Ultraviolett verstellt, und die Tonhöhe ist nahe dem Ultraschallbereich; die beabsichtigte Wirkung ist, ihre Sinne zu erregen, sie bis zu maximaler Empfänglichkeit zu stimulieren. Seinen ausgezeichneten Geschmack beweist der Gastgeber auch durch seine Einstellung der Duftsprühanlage: Die Luft schmeckt nach Jasmin und Hyazinthen. »Wollt ihr etwas Tingle?« fragt er. »Eben frisch von der Venus gekommen. Eine wahre Wohltat.« Aurea und Memnon lächeln und nicken. Siegmund füllt eine verzierte silberne Schale mit der kostbaren funkelnden Flüssigkeit und stellt sie auf den noch versenkten Tisch. Eine leichte Berührung des Bodenpedals, und der Tisch gleitet vom Boden bis zu einer Höhe von 150 Zentimetern. »Mamelon?« sagt er. »Kommst du zu uns?«
Siegmunds Frau legt ihr Baby in die Versorgungskrippe nahe der Schlafplattform und begibt sich durch den Raum zu ihren Gästen. Mamelon Klüver ist ziemlich groß, dunkler Teint und Haare, eine elegante Schönheit. Ihre Stirn ist hoch, die Wangenknochen sind ausgeprägt, das Kinn scharf; ihre Augen sind immer wachsam und wirken fast zu groß, zu dominierend in ihrem bleichen und schmalen Gesicht. Aurea fürchtet, daß ihre eigenen weichen Züge gegenüber Mamelons delikater Schönheit verblassen. Mamelon ist die älteste Person im Raum, sie ist fast sechzehn. Ihre Brüste sind sichtlich angeschwollen von der Milch; sie ist erst seit elf Tagen aus dem Kindsbett und sie stillt. Aurea hat noch nie jemanden gekannt, der sein Kind selbst stillte. Doch Mamelon war schon immer etwas Besonderes. Aurea hat eine ungewisse Furcht vor Siegmunds Frau, die so selbstbewußt, so reif ist. Und so leidenschaftlich. Als Aurea mit zwölf eine junge Braut wurde, war ihr Schlaf immer wieder durch Mamelons ekstatische Schreie unterbrochen worden, die durch den Schlafraum hallten.
Mamelon beugt sich nach vorn und setzt ihre Lippen an die Tingleschale. Die vier trinken gleichzeitig. Kleine Blasen bleiben an Aureas Lippen hängen. Schon der Duft betäubt sie leicht. Innerhalb der Schale sieht sie abstrakte Formen, die sich bilden und wieder vergehen. Tingle ist leicht betäubend, leicht halluzinogen, erregt Visionen und unterdrückt innere Spannungen. Es kommt aus gewissen Moorlandschaften in den Tiefländern der Venus; was Siegmund ihnen angeboten hat, enthält Milliarden von fremdartigen Mikroorganismen, fermentierend und verschmelzend selbst jetzt noch, da sie von ihren Körpern aufgenommen und absorbiert werden. Aurea spürt, wie sie sich in ihrem Innern verbreiten, in ihre Lungen eindringen, sie in Besitz nehmen ebenso wie ihre Eierstöcke und ihre Leber. Sie lassen ihre Lippen warm und feucht werden. Sie entfernen sie von ihren Sorgen und Ängsten. Aber das Hoch ist zugleich ein Tief; sie erlebt die ersten visionären Augenblicke und erfährt dann eine tiefe innere Ruhe. Eine gelöste Glücklichkeit legt sich über sie, als die letzten bunten Farben verblassen und aus ihrer Sicht verschwinden.
Nach dem Ritual des Trinkens reden sie miteinander. Siegmund und Memnon diskutieren über weltweite Ereignisse: die neuen Urbmons, die landwirtschaftlichen Statistiken, das Gerücht von einer größer werdenden Zone nicht urban organisierten Lebens außerhalb der Landwirtschaftsgemeinden und so weiter. Mamelon zeigt Aurea ihr Baby. Das kleine Mädchen liegt in der Versorgungskrippe, mit Händchen und Füßen strampelnd, lachend und glucksende Laute von sich gebend. »Was für eine Erleichterung das sein muß, sie nicht mehr länger zu tragen!« meint Aurea.
»Es ist ganz angenehm, wieder bis zu den eigenen Füßen sehen zu können, ja«, sagt Mamelon.
»Ist es sehr unbequem, schwanger zu sein?«
»Es gibt schon ein paar Unannehmlichkeiten.«
»Die Ausdehnung des Körpers, der Haut? Wie kann man das aushalten, so auseinander zu gehen? Wenn die Haut so angespannt ist, als ob sie jeden Augenblick platzen müßte…« Aurea schüttelt sich. »Und im Körper wird alles herumgestoßen. Die Nieren werden bis in die
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