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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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kämpfen.
    »Memnon, verfasse ein Gesuch! So unternimm doch etwas, schnell!« Er sieht sie verständnislos an; er ist auf dem Weg zu seiner Arbeit. Er hat ihr schon gesagt, daß sie nichts dagegen tun können. Er geht hinaus.
    Aurea folgt ihm in den Korridor. Das allmorgendliche Gedränge hat begonnen; die Bürger von Chikago strömen vorbei. Aurea schluchzt leise. Die Augen der anderen haben sich von ihr abgewendet. Sie kennt fast all diese Leute. Sie hat ihr Leben unter ihnen verbracht. Sie hält Memnons Hand fest. »Lauf doch nicht einfach von mir weg!« flüstert sie heftig. »Müssen wir uns denn wirklich aus Urbmon 116 hinauswerfen lassen?«
    »Es ist das Gesetz, Aurea. Wer dem Gesetz nicht gehorcht, der geht den Schacht hinunter. Ist es das, was du willst? Willst du als Verbrennungsmasse für die Generatoren enden?«
    »Ich will nicht gehen! Memnon, ich habe immer hier gelebt! Ich…«
    »Du redest wie ein Flippo«, sagt er mit verhaltener Stimme. Er zieht sie in den Schlafraum zurück. Sie sieht flehend zu ihm auf, aber sein Gesicht ist ausdruckslos. »Wirf eine Pille ein, Aurea. Und rede mit dem Etagenberater, bitte. Bleib ruhig – wir müssen uns fügen.«
    »Ich möchte ein Gesuch einreichen.«
    »So etwas gibt es nicht.«
    »Ich weigere mich zu gehen.«
    Er packt sie bei den Schultern. »Geh mit dem Verstand an die Sache ran, Aurea. Unser Gebäude unterscheidet sich nicht von dem anderen. Einige unserer Freunde werden sowieso dort sein. Wir werden neue Freunde gewinnen. Wir…«
    »Nein!«
    »Es gibt keinen anderen Weg«, sagt er. »Außer – den Schacht hinunter.«
    »Dann wähle ich den Schacht!«
    Sie bemerkt zum erstenmal, seit sie verheiratet sind, daß er sie verachtungsvoll ansieht. Er kann irrationales Verhalten nicht ertragen. »Red nicht solchen Unsinn«, sagt er. »Geh zum Berater, nimm eine Pille, denk es nochmals durch. Ich muß jetzt gehen.«
    Er geht wieder, und diesmal läßt sie ihn gehen. Sie wirft sich zu Boden, spürt den kalten Kunststoff an ihren heißen Wangen. Die anderen im Schlafraum ignorieren sie taktvoll. Sie sieht feurige Bilder: ihr Klassenzimmer, ihr erster Liebhaber, ihre Eltern, ihre Geschwister, alles fließt ineinander, schmilzt und fließt durch den Schlaf räum davon. Sie preßt die Daumen gegen ihre Augen. Sie will nicht ausgestoßen werden. Nur langsam wird sie wieder ruhiger. Ich habe Einfluß, sagt sie sich selbst. Wenn Memnon nichts unternehmen will, werde ich es für uns tun. Sie fragt sich, ob sie Memnon jemals seine Feigheit wird vergeben können. Seine Feigheit und sein durchsichtiger Opportunismus. Sie wird ihren Onkel aufsuchen.
    Sie streift ihren Morgenumhang ab und legt ein mädchenhaftes, pastellgraues Kostüm an. Aus ihrem Hormonregal wählt sie eine Kapsel aus, die ihren Körper veranlassen wird, den Duft abzugeben, der Männer zu beschützendem Verhalten ihr gegenüber veranlaßt. Sie wirkt süß, unsicher, jungfräulich; von der Reife ihres Körpers abgesehen, könnte sie für eine Zehn- oder Elfjährige gehalten werden.
    Der Lift trägt sie zur 975. Ebene empor, dem kräftig schlagenden Herz von Louisville.
    Hier ist alles aus Stahl und Plastglas. Die Korridore sind breiter, weitläufiger und luftiger. Hier drängen sich keine Menschenmengen in großer Eile hindurch; lautlose Maschinen gleiten vorbei, um irgendwelche Aufträge zu erfüllen, und eine gelegentlich auftauchende menschliche Gestalt erscheint fast unpassend und überflüssig. Hier wird verwaltet und geplant. Diese Etagen sind so eingerichtet, daß sie Bewunderung erwecken sollen; eine ihrer Funktionen ist die, Besucher zu überwältigen, einzuschüchtern.
    Aurea bleibt vor einer gleißenden Tür stehen, in die ein Moire entwickelnde Streifen eines weiß glänzenden Metalls eingelassen sind. Sie wird durch versteckte Sucher überprüft, nach dem Grund ihres Besuchs gefragt, eingestuft, in einen Warteraum gebeten. Endlich stimmt der Bruder ihrer Mutter zu, sie zu empfangen.
    Sein Büro ist fast so groß wie eine private Wohnsuite. Er sitzt hinter einem breiten, vieleckigen Tisch, aus dem eine Anzahl schimmernder Bildschirme ragt. Er trägt die formelle Kleidung der höchsten Ebenen, eine locker herabfallende Tunika, die mit im infraroten Bereich leuchtenden Schulterstücken besetzt ist. Aurea spürt die feine Hitzestrahlung, die von ihnen ausgeht. Er dagegen wirkt kühl, distanziert, höflich. Sein sympathisches Gesicht scheint aus glattem Kupfer modelliert zu sein.
    »Es ist schon viele

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