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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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weiter, befeuchtet ihre Lippen, verengt die Augen zu schmalen Schlitzen. Zu theatralisch. Er wird nur lachen. Heiser fragt sie: »Willst du nicht, daß ich bleibe? Würdest du nicht noch eine oder zwei Nummern mit mir machen wollen? Du weißt, daß ich alles für dich tun würde, wenn du uns helfen würdest, von dieser Liste runterzukommen. Alles.« Das Gesicht entschlossen. Ihre Nasenflügel beben, mit dem ganzen Körper signalisiert sie Versprechen unvorstellbarer erotischer Genüsse. Sie wird Dinge tun, an die noch niemand gedacht hat.
    Sie bemerkt sein für einen Augenblick aufblitzendes Lächeln und weiß, daß sie überzogen hat; ihr direkter Ansturm hat ihn nicht gereizt, sondern nur belustigt. Ihr Gesicht zerfällt. Sie wendet sich ab.
    »Du verabscheust mich«, klagt sie.
    »Aurea, bitte! Du verlangst das Unmögliche.« Er hält sie an den Schultern fest und zieht sie zu sich heran. Seine Hände dringen in das Netz ein und streichen über ihre Haut. Sie weiß, daß er sie nur zu trösten versucht. »Wenn ich einen Weg wüßte«, sagt er, »würde ich dir helfen. Aber wir würden alle im Schacht landen.« Seine Finger finden den Eingang in ihren Körper. Er ist feucht und schlüpfrig, obwohl sie ihn jetzt nicht will, nicht unter diesen Umständen. Mit einem Ausweichen ihrer Hüften versucht sie sich zu befreien. Seine Umarmung ist bloße Freundlichkeit; er wird sie aus Mitleid nehmen. Sie dreht sich weg und versteift sich.
    »Nein«, sagt sie, und dann wird ihr bewußt, wie hoffnungslos alles ist, und sie gibt sich ihm hin, weil sie weiß, daß es die letzte Gelegenheit dazu ist.
    »Ich habe von Siegmund gehört, was heute los war«, sagt Memnon. »Und von deinem Onkel. Du mußt damit aufhören, Aurea.«
    »Laß uns gemeinsam in den Schacht gehen, Memnon.«
    »Du mußt mit mir zum Berater gehen. Ich habe noch nie erlebt, daß du dich so verhältst.«
    »Ich habe mich noch nie so bedroht gefühlt.«
    »Warum kannst du dich nicht damit abfinden?« fragt er. »Es ist doch wirklich eine große Chance für uns.«
    »Ich kann nicht. Ich kann nicht.« Sie stürzt nach vorn, besiegt, gebrochen.
    »Hör auf damit«, sagt er tadelnd. »Mit dem Schicksal zu hadern, das macht unfruchtbar. Du mußt wieder fröhlich in die Zukunft blicken…«
    Sie will seine Ermahnung nicht annehmen, wie vernünftig und nachsichtig er auch immer zu ihr spricht. Er ruft die Maschinen; sie bringen sie zum Berater. Weiche, gummigleiche, orangefarbene Greifer halten ihre Arme behutsam, während sie durch all die Korridore geführt wird. Im Beraterbüro wird sie untersucht, ihr Stoffwechsel einigen Tests unterzogen. Er bekommt ihre Geschichte schnell heraus. Es ist ein älterer Mann, freundlich, etwas gelangweilt, eine Wolke weißen Haars umrahmt ein rosafarbenes Gesicht. Sie fragt sich, ob hinter all dieser Weichheit Haß verborgen sein kann. Schließlich sagt er zu ihr: »Konflikte machen unfruchtbar. Du mußt lernen, den Anforderungen der Gesellschaft zu entsprechen, denn die Gesellschaft wird dein Leben nicht erhalten, wenn du nicht ihr Spiel spielst.« Er empfiehlt eine Behandlung.
    »Ich will keine Behandlung«, sagt sie trotzig, aber Memnon stimmt zu, und sie nehmen sie mit. »Wohin werde ich gebracht?« fragt sie. »Für wie lang?«
    »In die 780. Etage, für etwa eine Woche.«
    »Zu den Ethikingenieuren?«
    »Ja«, sagen sie ihr.
    »Ich will nicht dorthin. Bitte, nicht dorthin.«
    »Sie sind freundlich und wohlwollend. Sie heilen die von Ängsten Geplagten.«
    »Sie werden mich verändern.«
    »Sie werden dich verbessern. Komm. Komm. Komm.«
    Eine Woche lang lebt sie in einer abgeschlossenen Kammer, die mit warmen, brodelnden Flüssigkeiten gefüllt ist. Sie schwimmt zufrieden in einer schwappenden Flut, stellt sich den riesigen Urbmon als ein seltsames Möbelstück vor, auf dem sie sich bequem niederlassen kann. Bilder durchtränken ihr Bewußtsein, und alles erscheint in einer angenehmen Weise von Wolken verdeckt. Sie sprechen durch Lautsprecherbatterien zu ihr, die in die Wände der Kammer eingelassen sind. Gelegentlich nimmt sie ein Auge wahr, das durch eine optische Faser späht, die über ihr pendelt. Sie lösen die Spannungen und brechen behutsam die Widerstände. Am achten Tag wird sie von Memnon besucht. Sie öffnen die Kammer, und sie wird hochgehoben, nackt, triefend, ihre Haut von der Feuchtigkeit aufgedunsen, Spuren und Tropfen der glitzernden Flüssigkeit bleiben an ihr haften. Der Raum ist voll von merkwürdigen Leuten.

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