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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Monate her, nicht wahr, Aurea?« stellt er fest. Ein väterlich wohlwollendes Lächeln. »Wie ist es dir ergangen?«
    »Gut, Onkel Lewis.«
    »Dein Mann?«
    »Bestens.«
    »Und schon Kinder?«
    Es bricht aus ihr heraus. »Onkel Lewis, wir gehören zu denen, die nach 158 gehen sollen!«
    Sein Kunststofflächeln verändert sich nicht. »So ein glücklicher Zufall! Gott segne, da könnt ihr ein neues Leben ganz an der Spitze beginnen.«
    »Ich will nicht gehen! Hilf mir, daß ich nicht gehen muß! Irgendwie! Bitte!« Sie läuft auf ihn zu, ein verängstigtes Kind, die Tränen fließen, die Knie kurz vor dem Einknicken. Zwei Meter vor dem äußeren Rand seines Tisches fängt sie ein Kraftfeld auf. Ihre Brüste spüren es zuerst, und als sie schmerzhaft gegen die unsichtbare Barriere gepreßt werden, wendet sie den Kopf ab und schlägt seitlich mit der Wange auf. Sie fällt auf die Knie und wimmert leise.
    Er geht auf sie zu, hebt sie hoch. Er mahnt sie, tapfer zu sein und ihre Pflicht vor Gott zu tun. Er spricht zuerst freundlich und ruhig mit ihr, aber als sie weiter zetert und protestiert, kühlt er merklich ab, wird geradezu abweisend. Aurea kommt sich unwürdig vor, daß sie seine Zeit in Anspruch nimmt. Er erinnert sie an ihre Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft. Er weist leise darauf hin, daß der Schacht jene erwartet, die sich nicht in die feingesponnene Ordnung des gemeinschaftlichen Lebens einfügen. Dann lächelt er wieder, und seine eisigen blauen Augen begegnen den ihren, halten sie gefangen, und er sagt ihr, sie soll tapfer sein und gehen. Langsam und unsicher geht sie wieder. Sie fühlt sich elend und unwürdig in ihrer Schwäche.
    Als sie wieder von Louisville herabschwebt, löst sich der Bann ihres Onkels, und ihre Empörung wird wieder stärker. Vielleicht kann sie anderswo Hilfe finden. Die Zukunft fällt um sie herum zusammen, einstürzende Türme begraben sie in Wolken kohlenschwarzen Staubs. Ein heftiger Wind bläst aus dem Morgen und trägt das riesige Bauwerk davon. Sie kehrt in den Schlafraum zurück und wechselt hastig ihre Kleidung, verändert zugleich ihre Hormonbalance. Sie ist jetzt von schillerndem Netzwerk umhüllt, das ihre Brüste, Schenkel und Hüften teilweise sichtbar läßt, und ihre Haut sondert Duftstoffe ab, die unterdrücktes Begehren signalisieren. Sie gibt in den Datenempfänger ein, daß sie ein privates Zusammentreffen mit Siegmund Klüver aus Schanghai wünscht. Voller Ungeduld geht sie im Raum auf und ab. Einer der jungen Ehemänner geht auf sie zu, seine Augen glänzen. Er umfaßt ihre Hüfte und deutet auf seine Schlafplattform. »Tut mir leid«, murmelt sie. »Ich gehe eben weg.« Ein paar Zurückweisungen sind zulässig. Schulterzuckend wendet er sich ab, hält noch einmal an, um ihr gedankenverloren nachzusehen. Acht Minuten später kommt die Nachricht, daß Siegmund sich bereit gefunden hat, sie in einem der Begegnungsräume in der 790. Etage zu treffen. Sie begibt sich nach oben.
    Sein Gesicht ist verschmiert, und seine Brusttasche ist vollgestopft mit Arbeitspapieren. Er wirkt ungeduldig. »Warum hast du mich von meiner Arbeit weggeholt?« verlangt er.
    »Du weißt, daß Memnon und ich…«
    »Ja, natürlich.« Er ist kurz angebunden. »Mamelon und ich bedauern sehr, eure Freundschaft verlieren zu müssen.«
    Aurea versucht eine provozierende Haltung einzunehmen. Sie weiß, daß sie Siegmunds Hilfe nicht allein dadurch gewinnen kann, daß sie sich ihm anbietet; so leicht ist er nicht herumzukriegen. Schöne Körper sind leicht zu haben, während die Chancen zu einer Karriere selten und entsprechend hart umkämpft sind. Ihre Absichten sind zu leicht zu durchschauen. Sie spürt schon die Ablehnung, die sie in den nächsten Minuten erfahren wird. Aber sie hofft noch immer, Siegmunds Einfluß für sich zu gewinnen. Vielleicht kann sie ihn dazu bringen, so viel Bedauern über ihr Weggehen zu empfinden, daß er ihr helfen wird. »Hilf uns doch, daß wir nicht gehen müssen, Siegmund«, wispert sie.
    »Wie kann ich…«
    »Du hast Verbindungen. Versuche irgendwie, den Plan zu ändern. Unterstütze unser Gesuch. Du bist ein aufsteigender Mann im Urbmon. Du hast einflußreiche Freunde. Du kannst es tun.«
    »Niemand kann so etwas tun.«
    »Bitte, Siegmund.« Sie nähert sich ihm, reißt die Schultern zurück, ihre Brustspitzen ragen aus ihrer Netzkleidung. Hoffnungslos. Wie soll sie ihn mit zwei rosafarbenen Knöpfen aus Fleisch verzaubern können? Doch sie kämpft

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