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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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anderen an, und die ganze Gruppe improvisiert etwa zwanzig Minuten lang nur leicht vor sich hin, bis Nat in spektakulärer Weise durch das ganze Spektrum jagt, von einem Punkt irgendwo südlich von Infrarot bis hinein in den Frequenzbereich der Röntgenstrahlung, soweit man das feststellen kann; und dieser wilde Aufbruch stimuliert neuen Erfindungsreichtum bei den anderen Spielern, signalisiert aber zugleich das nahende Ende der Vorstellung. Jeder nimmt die Vorlage auf, macht auf seine Weise etwas daraus. Sie geben noch einmal alles, was sie können, wirbeln und fließen umher, kommen zusammen, bilden eine Einheit mit sieben Köpfen, während sie das schlaffe, sich in kosmischer Trance befindende Publikum mit Unmengen von neuen kosmischen Phänomenen bombarbieren. Ja, ja, ja, ja, ja, ja. Zack, zack, zack, zack, zack. Blitz, blitz, blitz, blitz, blitz. Oh, oh, oh, oh, oh. Kommt, kommt, kommt, kommt, kommt. Dillon ist das Herz des Geschehens, sendet grellviolette Funken aus, holt Sonnen herunter und löscht sie aus, und er steigt jetzt sogar noch stärker ein als bei seinem großen Solo, weil das jetzt eine gemeinsame Sache ist, ein Mischen, ein Ineinanderfließen. Und er weiß, daß das, was er jetzt empfindet, alles erklärt: Das ist der Sinn des Lebens, die Rechtfertigung für alles andere: in die Schönheit eindringen, eindringen in die heiße Quelle der Erschöpfung, die Seele öffnen und alles hereinlassen und alles wieder hinausströmen lassen, zu geben, zu geben, zu geben, zu geben.
    Zu geben.
    Zu geben.
    Und das Ende ist da. Abschalten. Sie überlassen ihm den Schlußakkord, und er gibt noch einen richtigen schädelsprengenden Hammer ab, ein Zusammenprall von fünf Planeten und eine dreifache Fuge, und das alles dauert nicht mehr als zehn Sekunden. Dann geht er runter mit den Händen, schaltet aus, und eine Mauer des Schweigens erhebt sich neunzig Kilometer hoch. Diesmal hat er es geschafft. Er hat all ihre Schädel leergeblasen. Er sitzt bebend da, kaut auf der Unterlippe, benommen von den grellen Lichtern, will schreien und weinen. Wie viel Zeit ist vergangen? Fünf Minuten, fünf Monate, fünf Jahre, fünf Jahrhunderte? Und dann die Reaktion. Applaus wie eine Stampede. Ganz Rom ist auf den Füßen, schreit, schlägt sich auf die Backen – das ist die höchste Anerkennung, 4000 Leute kämpfen sich aus den bequemen Netzen, um ihre flachen Hände gegen ihre Gesichter zu schlagen –, und Dillon lacht, wirft seinen Kopf zurück, reißt sich selbst hoch, verneigt sich, streckt seine Hände aus zu Nat hin, zu Sophro, zu allen sechs. Irgendwie war es besser heute nacht. Selbst die Römer haben das bemerkt. Womit haben sie das verdient? Weil sie solche Blödmänner sind, sagt sich Dillon, haben sie das Beste aus uns herausgeholt, das wir geben konnten. Wir haben es tatsächlich geschafft, sie anzutörnen. Wir haben sie aus ihren elenden Schädeln herausgeholt.
    Der Beifall rast weiter.
    Schön. Schön. Wir sind große Künstler. Aber jetzt muß ich raus hier, bevor die Wände auf mich stürzen.
    Privat gibt er sich nie mit den anderen aus seiner Gruppe ab. Sie haben alle die Erfahrung gemacht, daß ihre berufliche Zusammenarbeit um so reibungsloser verläuft, je weniger sie in ihrer freien Zeit miteinander zu tun haben; es gibt keine Freundschaften, nicht einmal Sex innerhalb der Gruppe. Sie haben das sichere Gefühl, daß das ihr Ende wäre, wenn sie sich auf irgendeine Art von Verkehr miteinander einließen, ob hetero- oder homosexuell oder Triole, wie auch immer. Dafür gibt es außerhalb der Gruppe genug Gelegenheiten. Es ist nur die Musik, die sie vereint. Daher geht Dillon jetzt allein. Während das Publikum schon in Richtung auf die Ausgänge strebt, benützt Dillon den verborgenen Künstlerausgang, ohne sich auch nur mit einem Wort zu verabschieden. Der verborgene Ausgang entläßt ihn eine Etage tiefer. Seine Kleider sind verschwitzt und kleben an der Haut. Er öffnet die Tür des nächstbesten Apartments und findet ein Paar vor, sechzehn oder siebzehn Jahre alt, das vor dem Wandschirm hockt. Er ist nackt, sie trägt nur unscheinbare Brustverzierungen, und beide haben offenbar eine stärkere Droge eingeworfen, sind aber noch nicht so weg vom Fenster, daß sie ihn nicht erkennen würden. »Dillon Chrimes!« stößt das Mädchen aus, und ihr Schrei weckt zwei oder drei kleine Kinder.
    »Hallo«, sagt er. »Ich möchte nur euren Reiniger benützen, geht das? Laßt euch nicht stören. Ich möchte nicht einmal

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