Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
sie ihn mit tödlichen Bakterien verseuchen? Er kommt schließlich aus einer aseptischen, hermetisch abgeschlossenen Umgebung. In einigen Stunden wird er sich vielleicht in Krämpfen auf dem Boden winden. Denk nicht mehr an die Luft. Er sieht nach oben.
Die Dämmerung wird noch mehr als eine Stunde auf sich warten lassen. Der Himmel ist blauschwarz; Sterne blinken überall, und der abnehmende Mond steht hoch. Von den Fenstern des Urbmons aus hat er den Himmel schon oft gesehen, aber so war es noch nie. Er legt den Kopf weit zurück, steht breitbeinig da, streckt die Arme aus.
Umarmt das Sternenlicht. Eine Milliarde eisige Speere treffen seinen Körper. Lächelnd entfernt er sich weitere zehn Schritte vom Urbmon. Sieht, zurück. Eine Salzsäule, drei Kilometer hoch, hängt in der Luft wie eine umkippende Gesteinsmasse, und diese Vorstellung beängstigt ihn; er beginnt die Etagen zu zählen, aber die Anstrengung läßt ihn nur schwindlig werden, und er gibt noch vor der fünfzigsten auf. Von diesem Winkel aus bleibt der größte Teil des Gebäudes für ihn unsichtbar, da es so jäh über seinem Kopf aufragt, aber was er davon sehen kann, das reicht ihm. Seine gewaltige Masse droht ihn unter sich zu begraben. Er bewegt sich davon weg, in die Grünfläche hinaus. Die bedrückende Masse des nächsten Urbmons ist undeutlich vor ihm zu erkennen, genügend weit entfernt, um ein zutreffenderes Bild zu ermöglichen. Er sieht nach links. Noch ein Urbmon, in den Dunst des aufkommenden Tages gehüllt. Nach rechts. Ein weiterer Urbmon. Er richtet seinen Blick wieder nach unten, auf die Erde. Die Grünfläche, angelegte Pfade, Gras. Er kniet nieder, knickt einen Halm ab, fühlt eine unendliche Trauer in sich aufsteigen, als er den abgetrennten grünen Streifen auf seiner Handfläche betrachtet. Mörder. Er führt das Gras in seinen Mund; kein guter Geschmack. Er hatte angenommen, daß es süß schmecken müßte. Das ist Erde. Er gräbt seine Fingerspitzen hinein. Etwas Schwarzes bleibt unter seinen Fingernägeln haften. Er stellt sich vor einen Baum und sieht an ihm empor, legt seine Hand gegen den Stamm.
Ein Robotgärtner gleitet über die Grünfläche, beschneidet Pflanzen und Sträucher. Er schwingt auf seinem schweren schwarzen Sockel herum und starrt ihn an. Fragend, prüfend. Michael hält seine Hand hoch, damit der Gärtner seine Passierkarte überprüfen kann, und dann verliert er jedes Interesse an ihm.
Er ist schon weit vom Urbmon 116 entfernt. Er wendet sich noch einmal um und betrachtet ihn, kann ihn jetzt endlich in seiner vollen Höhe wahrnehmen. Ununterscheidbar in seiner Form von 117 und 115. Er zuckt die Achseln und folgt einem Pfad, der senkrecht zu der Linie verläuft, die die Reihe der Urbmons bildet. Ein Teich: Er setzt sich ans Ufer, taucht seine Hand hinein. Dann beugt er sein Gesicht zur Wasseroberfläche hinab und trinkt. Planscht im Wasser herum. Die Dämmerung schickt ihre ersten Vorboten über den Himmel. Die Sterne sind gegangen, der Mond verblaßt. Hastig entkleidet er sich.
Langsam läßt er sich in den Teich gleiten, schüttelt sich, als das Wasser seine Hüften erreicht. Er schwimmt vorsichtig, tastet mit den Füßen nach unten und spürt den kühlen schlammigen Grund, kommt schließlich an eine Stelle, an der er den Grund nicht mehr zu berühren vermag. Die ersten Vögel singen. Dies ist der erste Morgen der Welt. Blasses Licht schiebt sich über den schweigenden Himmel. Eine Weile später steigt er aus dem Wasser und steht tropfend und nackt am Rand des Teichs, zittert ein wenig, hört den Vögeln zu, beobachtet, wie die rote Scheibe der Sonne über den östlichen Horizont emporzuklettern beginnt. Nach und nach wird er sich dessen bewußt, daß er weint. Die Schönheit. Die Einsamkeit. Er ist allein in der ersten Dämmerung aller Zeiten. Es ist gut, nackt zu sein; ich bin Adam. Er berührt seine Genitalien. In der Ferne sieht er drei Urbmons aufragen, mit einem facettenartigen Netz von Fenstern überzogen, die perlengleich im Licht der Sonne glänzen. Er fragt sich, welches Urbmon 116 ist, wo sich Stacion befindet und Micaela. Wenn sie jetzt nur bei mir wäre. Wir beide nackt neben diesem Teich. Und er wendet sich ihr zu und versinkt in ihr. Während sich im Baum die Schlange windet und sie lauernd beobachtet. Er lacht. Gott segne! Er ist allein, aber er fürchtet sich deswegen nicht. Niemand ist zu sehen, und das gefällt ihm, er vermißt nur Micaela. Und Stacion. Sie fehlen ihm beide. Er
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