Ein Gott der keiner war (German Edition)
einander.
Der aus innerem Zwang autoritätsgläubige Mensch gibt Stalin nicht um seines Gegensatzes willen – um Gandhis willen auf. Wenn der Generalissimus aufhört über seine völlige Ergebenheit zu verfügen, dann umarmt er den General. Wenn SA-Leute Millionen seines Volkes hinschlachten, dann schwört er nicht dem Terror ab; er macht sich selber den Terror zu eigen. Seine einzige Reaktion auf die Diktatur ist die, daß er lieber selber der Diktator sein möchte als das Opfer des Diktators zu werden.
Unbefriedigte, enttäuschte Kommissartypen werden von „Kronstadt" zu neuen und offensichtlich herrischeren Formen der Reglementierung hingezogen, sie fühlen sich von neuen und offenbar weniger brutalen absolutistischen Regierungsformen oder zu einer erfolgreicheren totalitären Staatsform angezogen. Mit ihrem „Kronstadt-Erlebnis" wechseln sie nur ihr Untertanenverhältnis, sie ändern aber nicht ihr Herz und ihre geistige Haltung.
Ein „Kronstadt-Erlebnis" ist nur dann schöpferisch und sozial wertvoll, wenn es gleichbedeutend mit einer Verdammung der Methoden der Diktatur und einer Bekehrung zu den Gedankengängen der Demokratie ist.
Keine Diktatur ist eine Demokratie und keine von ihnen enthält Keime für die Freiheit. Dies begriff ich nicht in den Jahren, in denen ich für die Sowjets eintrat. Ich glaubte, daß ein zeitweiliges Aufheben der Freiheit das Sowjet-Regime befähigen würde, rasche wirtschaftliche Fortschritte zu machen und dann die Freiheit wiederherzustellen. Dies ist nicht geschehen. Die sowjetische Diktatur hat zu einer Armut an Gebrauchsgütern geführt, weil sie eine Armut an persönlichen Freiheiten bedeutete. Es kann ohne politische Demokratie keine materielle Sicherheit oder wirtschaftliche Demokratie geben. Die Millionen Menschen, die dreißig Jahre nach der Revolution in sowjetischen Konzentrationslagern und Gefängnissen sind, bedeuten einen Hohn auf jeglichen Anspruch auf politische oder wirtschaftliche Demokratie.
Es ist auch nicht das geringste Anzeichen vorhanden, daß der Polizeistaat an Kraft verliert. Im Gegenteil, jede Säuberungsaktion entfremdet neue Bevölkerungskreise und macht eine weitere Säuberungsaktion nötig und macht auf diese Weise die ungesetzliche Säuberungsaktion zu einer ständigen Waffe des Diktators gegen das Volk.
Unter einer Diktatur gibt es keine Freiheit, weil es keine unveräußerlichen Rechte gibt. Der Diktator hat soviel Macht und der Einzelmensch so wenig, daß der Diktator jedes Recht was er gibt, auch wieder nehmen kann. Das Recht auf Arbeit z. B. kann vielleicht heute bedeuten, daß man das Recht auf Arbeit in einer Fabrik gegen Lohn besitzt, und morgen hingegen die grausame Notwendigkeit in einem Konzentrationslager bei Hungerrationen arbeiten zu müssen. Der Staatsbürger hat auch keinen Anspruch auf Wiedergutmachung, denn der Diktator ist sowohl der Gesetzgeber, die Vollzugsgewalt und der Richter. Die hart arbeitende, begabte sowjetische Bevölkerung verdient etwas besseres und kennt auch etwas besseres – denn die Freiheit zu lieben ist leicht. Doch können sie sich selbst nicht helfen, und in jedem Jahr nimmt der Terror an Stärke zu.
Meine prosowjetische Einstellung führte mich zu dem weiteren Irrtum, anzunehmen, daß ein System, das sich auf dem Grundsatz aufbaute, nach dem der Zweck die Mittel rechtfertigt, jemals eine bessere Welt oder bessere Menschen schaffen könne.
Unsittliche Mittel bringen am Ende unmoralische Resultate und unmoralische Menschen hervor und das sowohl unter dem Bolschewismus, wie unter dem Kapitalismus.
Geld, Beförderung und Erfolg als Endziele, sind in sich selbst Mittel zur Erreichung eines Zieles, das ständig zurückweicht. Aus diesem Grunde besteht für den Einzelmenschen der größte Teil des Lebens aus Maßnahmen. Und jede Lebensart, die das Vergnügen und die Echtheit der Maßnahmen zur Erreichung einer übernatürlichen oder natürlichen Zukunft korrumpiert, verwandelt das Leben in einen kalten, unsauberen, unglücklichen Engpaß.
Die Diktatur ruht auf einem See von Blut, einem Meer von Tränen und einer Welt von Leiden, als den Ergebnissen ihrer grausamen Maßnahmen. Wie also kann sie Frieden oder Freiheit, inneren oder äußeren Frieden bringen? Wie können Furcht, Gewalt, Lügen und Elend bessere Menschen schaffen?
Die Jahr; in denen ich prosowjetisch eingestellt war, haben mich gelehrt, daß niemand, der die Menschen und den Frieden liebt, eine Diktatur begünstigen sollte. Die Tatsache,
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