Ein Gott der keiner war (German Edition)
Expansionsbestreben war immer in die Länge und in die Breite gegangen. Es hatte immer nur Gebiete erobert, statt sich darauf zu konzentrieren, das Los der Bevölkerung zu verbessern. In dieser Richtung ahmte Stalin jetzt die gekrönten Romanows nach.
Auf dem Rücken des verstaatlichten Proletariats und der verstaatlichten Bauernbevölkerung hat Stalin mit Hilfe der eingeschüchterten, kriecherischen Bürokratie und der bravoschreienden Intelligenz ein übernationalistisches, imperialistisches, staatskapitalistisches, militaristisches System errichtet, in dem er der Oberste Sklavenhalter heute ist und sein Nachfolger es später sein wird.
Warum sollte und wie kann irgend jemand, der ein Interesse an dem Gedeihen der Menschen und am Frieden und Fortschritt der Menschheit hat, ein derartiges System unterstützen? Etwa, weil in der demokratischen Welt es faule Stellen gibt? Wir können die Fäulnis bekämpfen. Was können die Sowjetbürger gegen den Stalinismus tun?
Während aber viele Leute nicht verstehen können, warum ich mein „Kronstadt" immer noch hinausschob, nachdem sie so lange schon die Dunkelheit in Rußland erblickt hatten, bin ich tolerant jenen gegenüber, die sich immer noch in dem Vor-Kronstadt-Zustand befinden. Für mich bedeutete der Pakt „Kronstadt". Andere hingegen verließen den Zug nicht, um bei Kronstadt auszusteigen, bis Rußland im Dezember 1939 in Finnland einfiel.
Die Art, in der der einzelne zeitlich gesehen sein Kronstadt erlebt, hängt von einer Anzahl von tatsächlichen stimmungsmäßigen Umständen ab. Manche Menschen sind derartig besessen von den Verbrechen der kapitalistischen Welt, daß sie dem Verbrechen und dem Bankrott des Bolschewismus gegenüber blind bleiben. Nicht wenige benutzen die Gebrechen des Westens dazu, um die Aufmerksamkeit von den gräßlichen Greueln Moskaus abzulenken. Mein eigenes Rezept lautet: Beides ist zu verwerfen. Ein freier Geist, der von wirtschaftlichen Bindungen oder intellektuellen Vorurteilen nicht behindert wird, kann den Übeln beider Welten den Rücken kehren und, indem er seine eigene Situation verbessert, danach streben, eine Voraussetzung für Frieden, Wohlstand und Moral zu schaffen, in der die Diktaturen auf beiden Seiten des sogenannten eisernen Vorhangs schließlich ersticken und umkommen würden.
Dies führt zu der entscheidenden Frage: Wohin wendet sich das jährlich neue Kontingent von enttäuschten Anhängern von „Kronstadt" aus? Kronstadt ist keine Sackgasse. Es sollte eine Stopptafel auf dem Wege zu einem besseren Ziel sein, als es die Diktatur ist.
In „Kronstadt" gibt es unter den ehemaligen Kommunisten und unter jenen Schildträgern der Sowjets, die wie ich nie Kommunisten waren, einen Menschenschlag, den man den „autoritätsgläubigen durch inneren Zwang" nennen könnte. Eine Änderung seiner Lebensanschauung oder ein bitteres Erlebnis mögen ihn vom Stalinismus abbringen. Doch immer noch haften ihm die Unzulänglichkeiten an, die ihn anfänglich in das bolschewistische Lager trieben. Er gibt den Kommunismus intellektmäßig auf, aber er braucht einen gefühlsmäßigen Ersatz dafür. Da er in sich selber schwach ist und nach Sicherheit verlangt, sowie nach einem tröstlichen Dogma und einem großen Heerhaufen, in dem er wacker kämpfen kann, neigt er instinktiv zu einem neuen Pol der Unfehlbarkeit, des Absolutismus und doktrinärer Gewißheit. Er fühlt sich zu einer Sache hingezogen, die nach außen hin einheitlich und stark ist. Oft verläßt er den Kommunismus, weil er nicht sicher genug ist, weil er einen Zick-Zack-Kurs macht und hin und her schwankt und ihn auf diese Weise der Beständigkeit beraubt, nach der er sich sehnt. Sobald er einen neuen Totalitarismus findet, bekämpft er den Kommunismus mit der den Kommunisten eigenen Gewalttätigkeit und Unduldsamkeit. Er ist ein antikommunistischer „Kommunist".
Doriot, ein französischer Kommunistenführer und Mitglied des Vollzugskomitees der Dritten Internationale, wurde ein Faschist und zog heftigst gegen den Kommunismus zu Felde. Laval, ein ehemaliger Kommunist, ehemaliger französischer Premierminister, war später für die Nazis und war reaktionär. In ähnlicher Weise haben seit dem Kriege viele italienische, rumänische, ungarische und polnische Faschisten und deutsche Nazis zu vielen Tausenden sich der nationalistischen, totalitären kommunistischen Partei ihres Landes angeschlossen. Die Anhänger des totalitären Systems aller Schattierungen verstehen
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