Ein Gott der keiner war (German Edition)
Versuchungen.
Bernal macht einen weniger bärenhaften und schuljungenhaften Eindruck als Haldane, oder er ist vielmehr ein anderer Jungentyp, zwar ohne Zweifel ein Genie in seiner wissenschaftlichen Arbeit, jedoch ebenfalls von einer sozialen Leidenschaft erfüllt. Ihn bewegen Vorstellungen, nach denen man das vollkommene Haus für sozialisierte Menschen entwerfen müßte, das eine Art Wohnmaschine sein soll, die alle Architektur der Vergangenheit übertrifft. Jede Art von Planwirtschaft fasziniert ihn. In seinem sozialen Denken zeigt er eine Neigung zu extravaganten Phantastereien, denen er wahrscheinlich bei seiner wissenschaftlichen Arbeit nicht nachgeben würde.
Wir geben in unserer Gesellschaft den Wissenschaftlern das ehrenvolle Ansehen, eine übermenschliche Weisheit zu besitzen. In Wirklichkeit wäre es vielleicht ehrlicher, zu sagen, daß sie, wie andere Spezialisten und Virtuosen, leicht unmenschlich sind. Einerseits zeigen sie Begeisterung für Systeme, die danach streben, die Gesellschaft in ein ungeheures Feld für wissenschaftliche Forschung umzuwandeln, auf der anderen Seite haben sie wenig oder gar nichts getan, um die Gesellschaft gegen den Mißbrauch ihrer Erfindungen zu schützen. Meistenteils flüchten sie sich in ihre Stellung als reine Wissenschaftler, sooft davon die Rede ist, daß sie für Erfindungen, die der Zerstörung dienen, verantwortlich sind. Sie zeigen äußerst wenig Sinn für das, was die heutige Gesellschaft der kulturellen Überlieferung der Vergangenheit verdankt, oder für das, was wir verlieren würden, wenn man zum Beispiel die gesamte alte Architektur zerstören und durch vollendete 'Wohnmaschinen ersetzen würde.
Im Hitler-Deutschland gaben sich die Wissenschaftler für die Durchführung der Sterilisierung und die Vernichtung der Geistesschwachen, für die Ausrottung ganzer Bevölkerungen und für die Verwendung von Menschen als Versuchsobjekte für wissenschaftliche Experimente her. Einer meiner Freunde, der auch Wissenschaftler ist und nach dem Kriege nach Deutschland ging, um die Tätigkeit deutscher Wissenschaftler zu studieren, sagte mir, daß es ihn am meisten erschüttert hätte, festzustellen, daß deutsche Wissenschaftler, sooft ihnen Menschen für Versuchszwecke zur Verfügung gestellt wurden, sie diese mit absoluter Rücksichtslosigkeit dazu benutzten, um Versuche anzustellen, die völlig unnötig waren. Ich behaupte nicht, daß Wissenschaftler in anderen Ländern dasselbe tun würden. Aber es ist notwendig, darauf hinzuweisen, daß Wissenschaftler von der Wissenschaft als solcher keinerlei Einwendungen gegen derartige Versuche, wie sie die Vernichtung der Geistesschwachen darstellt, beziehen können. Wenn sie dagegen auftreten, dann handeln sie nach Wertungen, die nicht wissenschaftlicher Art sind. Die moderne Wissenschaft hat kein vernünftiges Argument geliefert, um zu verhindern, daß die Wissenschaft von irgend welchen Regierungen für Zwecke ungeheurer Zerstörung in jedem Lande benutzt wird. Die Wissenschaft ist nur ein Werkzeug zum Guten oder Bösen. Damit sie zum Guten hingelenkt wird, muß jeder, der sie lenkt, eine gewisse Auffassung von der Menschheit besitzen, die weiter ist als die einer planwirtschaftlich wissenschaftlich gelenkten Gesellschaft. Es muß in der Gesellschaft ein Zweck und Sinn vorhanden sein, der über eine gute Planung hinausgeht. Eine Gesellschaft ohne einen solchen Zweck einer Diktatur nur zum Zwecke von Planwirtschaft zu unterwerfen bedeutet nichts anderes, als für einen weiteren Mißbrauch der Wissenschaft Grundlinien aufzustellen. Denn in Rußland sind es die Politiker, die die Wissenschaft planen.
Deswegen bin ich skeptisch, ob, wenn Leute wie Bernd, Haldane und Joliot-Curie Kommunisten werden, sie dabei ein anderes Motiv leitet als ein blinder Glaube an die Wissenschaft als Werkzeug. Doch dieses Werkzeug hat keinen moralischen Sinn, und wenn Wissenschaftler dafür eintreten, daß es in die Hände von Politikern gelegt wird, die ihre politischen Gegner einsperren und die sogar so weit gehen, Wissenschaftler zu verfolgen, deren Forschungen eine Tendenz zeigen, Ergebnisse hervorzubringen, die mit den politischen Ansichten des Staates nicht in Einklang stehen, dann dürfen wir sagen, daß diese kommunistischen Wissenschaftler Opfer einer Art moralischer Blindheit sind, die seit langem die Wissenschaft gekennzeichnet hat.
Während der Jahre nach 1930 beobachtete ich meine kommunistischen Kollegen. Ich bewunderte ihren Mut und
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