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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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Partei in diesem Stadium an wärmeren Gefühlen zu bieten hatte.
    Was Paula anlangt, so gab sie kaum jemals ihre mißtrauische Zurückhaltung auf. Ein- oder zweimal sprach sie am Telephon mit ihren Genossen – stets in halben Sätzen und mit halben Anspielungen – und dann wurde sie ein anderer Mensch: vital, fröhlich, sogar ein bißchen albern. Zwischen uns bestand keinerlei physische Anziehung, und ich wußte, daß sie mich geistig nie in ihre Welt aufnehmen würde. Ich war ein Außenseiter – nützlich für die Partei, vielleicht sogar vertrauenswürdig oder auch nicht —, auf jeden Fall aber ein Außenseiter, ein Sprößling der korrupten bürgerlichen Welt. Niemals nahm sie ein Getränk oder eine Erfrischung von mir an: wenn wir uns in einem Lokal trafen, bestand sie darauf, ihre Zeche selbst zu bezahlen; als ich ihr zum erstenmal die Tür zum Badezimmer aufmacht; sah ich sie einen mißbilligenden Blick auf meinen Schlafrock werfen.
    Edgar war liebenswürdiger und verbindlicher; wenn ich mich aber erbot, ihn im Wagen nach Hause zu bringen, so gab er keine bestimmte Adresse an, sondern ließ sich an irgendeiner Straßenecke absetzen. Trafen wir uns in einem Lokal, so war es ausgemachte Sache, daß er als erster ging und ich erst fünf Minuten später, weil ich sonst womöglich seine Wohnung aufspüren konnte. Alle diese Sicherheitsvorkehrungen, sagte er lächelnd, seien reine Formalitäten und nun einmal Parteibrauch; ich würde mich bald daran gewöhnen und ganz automatisch ebenso handeln.
     
     
    Der verschmähte Freier
     
    Obwohl ich die Notwendigkeit all dieser konspiratorischen Maßnahmen einsah, fühlte ich mich dennoch in zunehmendem Maße betrogen. Ich lief der Partei nach, ich kannte kein größeres Verlangen, als mich ganz in ihre Arme zu werfen, und je atemloser ich darum kämpfte, sie zu besitzen und von ihr besessen zu werden, um so mehr entzog sie sich meinem Zugriff. So zerbrach ich mir wie alle abgewiesenen Freier den Kopf, mit welchen Geschenken ich sie zum Lächeln bringen und ihr steinernes Herz erweichen könne. Ich hatte mich bereit erklärt, meine Stellung zu opfern, uni das bescheidene Leben eines Traktoristen in den russischen Steppen zu führen; aber das war kleinbürgerliche Romantik. Ich bedrängte Edgar, mich in eine Zelle eintreten zu lassen, in der ich nur unter meinem Decknamen bekannt sein würde: seine Antwort lautete, ich könne dort erkannt werden und dadurch meine Nützlichkeit für die Partei verlieren. Ich fragte ihn, was ich sonst noch tun könne. Er wollte es sich überlegen. Doch Wochen vergingen, ohne daß etwas geschah.
    Etwa um diese Zeit wurde bei der B.Z. am Mittag ein junger Mann meiner Obhut anvertraut. v. E. war der Sohn eines früheren deutschen Botschafters im Ausland. Er war 21 Jahre alt und wollte Journalist werden. Er sollte unter meiner Anleitung einige Monate als Anfänger in der außenpolitischen Redaktion der B.Z. arbeiten. Sein Platz war mir gegenüber; nach Redaktionsschluß gingen wir gewöhnlich gemeinsam zur Turnhalle, die von den Ullsteins für den Redaktionsstab eingerichtet worden war, um ein bißchen zu boxen oder mit dem Medizinball zu arbeiten. Da uns nur fünf Jahre Altersunterschied trennten, wurden wir bald Freunde. Ich predigte ihm das marxistische Evangelium, und da ich ja sein beruflicher Mentor war, mußten meine Argumente in seinen Augen doppeltes Gewicht bekommen. Nach ungefähr vierzehn Tagen schien er mir genügend Fortschritte gemacht zu haben, um in den Dienst an der Sache eingespannt zu werden. Ich verriet ihm natürlich nicht, daß ich selbst der Partei angehörte, aber ich erklärte ihm, daß ich Freunde in der Partei habe, denen ich gelegentlich den mir zu Ohren gekommenen politischen Klatsch erzählte. Es kam mir gar nicht in den Sinn, daß dies eine reichlich euphemistische Umschreibung für meine Zusammenarbeit mit Edgar und Paula war; ich genoß bereits den Segen aller Bekehrungen: ein herrlich reines Gewissen.
    Die Familie v. E. führte ein gesellschaftliches Leben und hatte oft Offiziere und Diplomaten als Gäste in ihrem Haus; aus diesem Grunde bat ich den jungen E., seine Ohren offen zu halten und mir im Dienst der gemeinsamen Sache alle interessanten Neuigkeiten zu berichten – insbesondere Informationen über die Vorbereitung eines Angriffskrieges gegen die Sowjetunion durch Deutschland oder andere Mächte. Der junge Mann war stolz auf das in ihn gesetzte Vertrauen und versprach eifrigst, sein Bestes zu tun.

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