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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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natürlich Bestien, doch unsere Hauptsorge galt den trotzkistischen Ketzern und sozialistischen Schis'matikern. Im „Roten Volksentscheid" von 1931 hatten Kommunisten und Nationalsozialisten in trauter Gemeinschaft gegen die sozialdemokratische preußische Regierung gestimmt; 1932 reichten sie sich beim Berliner Transportarbeiterstreik wieder die Hand. Heinz Neumann, der glänzende junge KPD-Führer, der die Losung „Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft" geprägt hatte, fiel in Ungnade, um etwas später in Rußland liquidiert zu werden, und die Parteilinie zuckte ratlos hin und her in den Vorwehen des Stalin-Hitler-Paktes. Doch die Partei hatte verkündet, daß dieses Jahr 1932 den Triumph der proletarischen Revolution in Deutschland bringen würde; und da wir den wahren Glauben hatten, der göttliche Verheißungen nicht mehr ganz ernst nimmt, waren wir alle fröhlich und wohlgemut.
     
     
    Kompetenzschwierigkeiten
     
    Eines Tages stellte mir Edgar die beiläufige Frage, ob ich je in Japan gewesen sei. Ich verneinte. Ob ich nicht Lust hätte, nach Japan zu gehen? Nun ja, ich reiste gern. Könnte ich, fragte er weiter, die Ullsteins nicht veranlassen, mich als ihren Korrespondenten nach Japan zu entsenden? Ich erklärte ihm, daß wir in Tokio unseren festen Redaktionsstab hätten und daß ich keinerlei Vorbildung für diesen Posten besäße. „Du könntest aber", meinte Edgar sanft, „der Partei in Japan nützlicher sein als hier. Könntest du dich nicht von irgendeinem anderen Blatt dorthin schicken lassen?" Ich gab zur Antwort, das würde sehr schwierig sein; und was sollte ich denn ausgerechnet in Japan? Edgar schien diese Frage als taktlos zu betrachten. Nun, meinte er, ich würde natürlich meiner journalistischen Arbeit nachgehen, so wie hier, und weiterhin Informationen, die für die Partei von Bedeutung waren, an Freunde weiterleiten, mit denen man mich zusammenbringen werde,. Ob ich mir die Angelegenheit nicht durch den Kopf gehen lassen wolle? Ich sagte, es gebe da nicht viel zu überlegen – wenn die Partei es wünsche, würde ich sofort gehen, aber die Aussichten, einen ernsthaften journalistischen Auftrag zu erhalten, seien gleich Null. Edgar dachte einen Augenblick nach, dann sagte er: „Wenn wir dir den Auftrag durch unsere Verbindungen verschaffen, würdest du annehmen?" Und wieder bat er mich, die Angelegenheit zu überdenken. Ich wiederholt; daß es für mich nichts zu überlegen gebe; wenn die Partei es wünsche, würde ich gehen. Edgar erwiderte, er werde mir in einigen Tagen Bescheid geben, und ließ das Thema fallen. Er kam nie wieder darauf zu sprechen, und da mir die Parteietikette bereits in Fleisch und Blut übergegangen war, stellte ich auch keine Fragen mehr.
    Einige Zeit später ereignete sich ein anderer kurioser Vorfall. Eines Tages sprach ein Fräulein Meyer in meinem Redaktionszimmer vor; auf dem Anmeldeformular, das jeder Besucher ausfüllen mußte, hatte sie unter „Zweck des Besuches" „Alter Freund" hingekritzelt. Sie war ein schmächtiges Mädchen mit einem spitzigen, nervösen Gesicht, das ich nie zuvor gesehen hatte; aber ihre betont schlampige Art, sich zu kleiden, und ihre herausfordernde Haltung beim Betreten des Zimmers verrieten sie sogleich als Genossin. Sie war gekommen, um mich zu fragen, ob ich den Posten eines „verantwortlichen Redakteurs" bei einer neugegründeten Presseagentur annehmen wolle. Nach deutschem Recht mußte damals jede Publikation einen solchen Redakteur aufweisen, der für den Inhalt den Behörden gegenüber die Verantwortung trug. Bei kleinen Zeitschriften und reinen Konjunkturprodukten hatte der „verantwortliche Redakteur" oft nicht das geringste mit der Redaktion zu tun; er war lediglich eine kreditwürdige Person, die ihren Namen zu diesem Zweck hergab. Ich bat Fräulein Meyer, mich über die Ziel; Hintermänner und so weiter dieser Presseagentur, von der ich noch nie gehört hatte, aufzuklären. Sie zuckte ungeduldig mit den Schultern: „Aber verstehen Sie denn nicht – ich bin von unseren gemeinsamen Freunden geschickt worden, und es ist eine bloße Formalität, wenn Sie unterschreiben." – „Was für gemeinsame Freunde?" fragte ich mit der Vorsicht des Verschwörers. Sie wurde noch ungeduldiger und fast unhöflich. Sie war der Typ des neurotischen Aschenbrödels, der enttäuschten und zur „freiwilligen Proletarierin" gewordenen Bürgerstochter, von dem es in der KPD geradezu wimmelte. Ich bat sie, die Namen der Freunde zu

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