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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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meine politischen Ansichten verlauten ließe. „Auf welche Weise nützlich?" fragte ich. Schließlich konnte ich nicht die B.Z. zu einer kommunistischen Zeitung machen oder die Politik des Hauses Ullstein ändern. Schneller erwiderte darauf, die Frage sei „mechanistisch gestellt"; es gebe viele Möglichkeiten, die Politik meines Blattes hier und da zu beeinflussen. So zum Beispiel könne ich die Gefahren, die dem Weltfrieden von der japanischen Aggression gegen China drohten, stärker herausstellen (damals gab es nichts, was die Sowjets mehr fürchteten als einen japanischen Angriff); wir könnten, wenn ich wollte, einmal in der Woche zusammentreffen, um diese Fragen zu erörtern. Noch lieber wäre es ihm, wenn er irgendeinen weniger überlasteten Vertreter schicken könnte, der mir praktisch jederzeit als politischer Mentor zur Verfügung stehen würde. Daneben könnte ich der Partei über diesen gemeinsamen Freund alle interessanten politischen Informationen, die mir in die Hände fielen, zukommen lassen. Die Partei würde wahrscheinlich schon in kurzer Zeit in die Illegalität gezwungen werden; und wenn diese Lage einträte, würden Leute wie ich, die sich unverdächtigt in respektablen Stellungen befänden, bei dem tödlichen Kampf gegen Faschismus und imperialistische Aggression von noch größerem Wert sein. Das klang alles sehr vernünftig, und meine anfängliche Abneigung gegen Schneller verwandelte sich bald in Respekt für seine einfache und kluge Argumentationsweise. Wir vereinbarten, in einer Woche wieder zusammenzukommen, wobei er mir dann meinen zukünftigen politischen Berater vorstellen würde. „Wer soll das sein?" fragte ich. „Ein Genosse namens Edgar", antwortete Schneller.
     
     
    Geheimnistuerei
     
    Nachdem wir uns verabschiedet hatten, kam mir plötzlich in den Sinn, daß wir kein Wort über meine formelle Aufnahme in die Partei gesprochen hatten. Die ganze Angelegenheit hing in der Luft; war ich nun ein richtiger Kommunist oder nicht? Ich lief Schneller nach und fragte ihn. Er setzte sein linkisches Lächeln auf und sagte: „Wenn Sie darauf bestehen, werden wir Sie zum Parteimitglied machen, aber nur unter der Bedingung, daß Ihre Mitgliedschaft geheim bleibt Sie werden keiner Zelle zugeteilt und werden in der Partei unter einem anderen Namen bekannt sein." Mein Einverständnis klang ziemlich niedergedrückt, denn solange ich nicht in eine Zelle eintreten konnte, würde ich keine Gelegenheit haben, am Leben, an der Atmosphäre und an der brüderlichen Solidarität der Partei teilzuhaben. „Sagen Sie mir, welchen Decknamen Sie gebrauchen wollen", meinte Schneller, „und ich werde Ihnen beim nächstenmal das Parteibuch mitbringen." Der Name, der mir nach einer kurzen Überlegungspause einfiel, war Iwan Steinberg. „Iwan" vermutlich wegen der russischen Klangfarbe; Steinberg war der Name eines Freundes, eines Psychoanalytikers in Tel-Aviv, von dem ich jahrelang nichts gehört hatte. Er wollte mich immer zur Beendigung meiner Studien an der Universität Wien überreden, die ich vorzeitig abgebrochen hatte. „Wenn du nicht promovierst", sagte er einmal, „wirst du immer ein Vagabund bleiben. So hoch dich dein Weg auch führt, die Leute werden dir immer den Landstreicher anmerken."
    Eine Woche später traf ich Schneller am gleichen Ort. An Stelle von Edgar hatte er ein Mädchen mitgebracht, das er mir als die Genossin Paula, eine Mitarbeiterin von Edgar, vorstellte. Sie war ein dunkelhaariges, üppiges, leicht schielendes Mädchen von etwa 25 Jahren. Wir gingen wiederum in das kleine Café, wo mir Schneller auseinandersetzte, daß Paula als Verbindung zwischen Edgar und mir fungieren würde: Edgar sei „schwer zu erreichen", aber ich könne mit Paula zu jeder Tageszeit telephonieren, und sie könne ihrerseits stets mit Edgar in Verbindung treten. Mit anderen Worten, mir sollte Edgars Identität und Adresse nicht anvertraut werden.
    Es sei hier vermerkt, daß die Kommunistische Partei damals – im Januar 1932 – in Deutschland noch vollkommen legal war; ihre Abgeordneten, darunter Schneller, saßen im Reichstag; ihre Zeitungen konnten jeden Morgen offen zur Revolution aufrufen; ihre Massenversammlungen erhielten den üblichen Polizeischutz; ihr „Roter Frontkämpfer-Bund (RFB)" war eine der vier offiziell anerkannten Privatarmeen im Lande. [3]
    Zur gleichen Zeit aber bereitete sich die Partei darauf vor, in die Illegalität zu gehen; und alles, was in der Partei geschah, trug den

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