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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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gehörten der KPD an; der erstere, Dr. Ernst Ascher, war ein politisch naiver und unbeschlagener Arzt, der an einem staatlichen Krankenhaus der Wolgadeutschen Republik arbeitete. Wie ich später erfuhr, wurde er beschuldigt, ein Saboteur zu sein, der seinen Patienten Syphilis-Bazillen injizierte [6] und das Volk durch die Behauptung demoralisierte, daß Geschlechtskrankheiten unheilbar seien, außerdem sollte er Agent einer ausländischen Macht gewesen sein.
    Die anderen beiden waren Alex Weißberg und seine Frau Eva. Aus Gründen, auf die ich noch zurückkommen werde, will ich ihrem Schicksal hier etwas breiteren Platz einräumen. Alex war ein Physiker und arbeitete am „Ukrainischen Physikalisch-Technischen Institut"; ich hatte sie beide viele Jahre lang gekannt und als ihr Gast in Charkow gewohnt. Als ich Rußland im Jahre 1933 verließ, hatte mich Alex an den Zug gebracht; seine Abschiedsworte lauteten: „Was auch immer geschieht, halte das Banner der Sowjetunion hoch." Seine Verhaftung im Jahre 1937 erfolgte unter der Anklage (von der ich erst sehr viel später erfuhr), er habe zwanzig Banditen angeworben, die Stalin und Kaganowitsch bei ihrem nächsten Jagdausflug in den Kaukasus aus dem Hinterhalt ermorden sollten. Er weigerte sich, ein Geständnis zu unterschreiben, wurde drei Jahre lang in verschiedenen Gefängnissen festgehalten und schließlich, nach Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Bündnisses, zusammen mit ungefähr hundert anderen österreichischen, deutschen und ungarischen Kommunisten im Juli 1940 bei Brest-Litowsk der Gestapo übergeben. (Unter seinen Leidensgenossen befand sich auch Grete Buber-Neumann, [7] die Frau des deutschen Kommunistenführers Heinz Neumann und Schwägerin von Willi Münzenberg, sowie der Physiker Fies' Hautermans, ein ehemaliger Assistent des englischen Nobelpreisträgers Professor Blackett.) Er kam mit dem Leben davon, beteiligte sich am Warschauer Aufstand und hat seine Erlebnisse in einem Buch beschrieben, das demnächst in englischer und deutscher Sprache erscheinen wird.
    Seine Frau war Kunstgewerblerin. Sie wurde etwa ein Jahr vor Alex verhaftet und zunächst angeklagt, Hakenkreuze in die von ihr für die Massenproduktion entworfenen Teetassendekorationen eingeschmuggelt zu haben; dann wurde ihr vorgeworfen, sie habe zwei Pistolen unter ihrem Bett verborgen, mit denen sie Stalin auf dem nächsten Parteikongreß ermorden wollte. Sie brachte achtzehn Monate in der Lubianka zu, wo die GPU sie als reuige Sünderin für den Schauprozeß gegen Bucharin zu präparieren versuchte. Sie schnitt sich die Pulsadern auf, wurde gerettet und dank den außergewöhnlichen Bemühungen des mit ihrer Mutter befreundeten österreichischen Konsuls in Moskau kurz darauf über die Grenze geschoben.
    Ich traf Eva nach ihrer Freilassung und Ausweisung im Frühjahr 1938 in London und versprach ihr, mein möglichstes für Alex zu tun. Da sich bereits Albert Einstein für ihn verwandt hatte, faßte ich ein sorgfältig formuliertes Telegramm an Stalin ab, zu dem ich die Unterschriften der drei französischen Nobelpreisträger für Physik, Perrin, Irane und Fridéric Joliot-Curie erhielt. In diesem Telegramm, von dem wir eine Abschrift an den damaligen Staatsanwalt Wyschinski sandten, wurde die Sowjetregierung ersucht, die Anklage gegen Weißberg, soweit es überhaupt eine gebe, zu veröffentlichen und dem Angeklagten ein öffentliches Gerichtsverfahren zu gewähren. Es ist bezeichnend, daß sowohl Perrin als auch die beiden Joliot-Curie, die alle mit den Sowjets sympathisierten, und von denen die beiden letzteren kurz darauf in die Partei eintraten, offensichtlich nicht allzu viel von den sowjetischen Justizmethoden hielten; denn sie nahmen es, obwohl ihnen Alex Weißberg überhaupt kein Begriff und meine eigene Bekanntschaft mit ihnen nur flüchtiger Natur war, sofort als erwiesen hin, daß er unschuldig sei.
    Die Moral von dieser Geschichte ist, daß Joliot-Curie, Blackett und die übrigen marxistischen Atomphysiker sich nicht darauf ausreden können, keine Ahnung von den Vorgängen in Sowjetrußland gehabt zu haben. Sie kennen zumindest diese zwei Fälle ihrer Kollegen Weißberg und Hautermans, zweier ergebener Kommunisten, die unter grotesken Anschuldigungen verhaftet, jahrelang ohne Verhandlung festgehalten und schließlich an die Gestapo ausgeliefert wurden. Sie wissen weiter, daß diese Fälle keine Ausnahme bilden; es sind ihnen verläßliche Berichte über Hunderte von ähnlichen

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