Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
Vom Netzwerk:
Ausschüsse, Kongresse und Bewegungen ins Leben, wie ein Zauberer Kaninchen aus seinem Hut hervorzieht: das Hilfskomitee für die Opfer des Faschismus, sogenannte „Ausschüsse für Wachsamkeit und demokratische Kontrolle", internationale Jugendkongresse usw. Jede dieser getarnten Parteiorganisationen konnte stolz auf ein Aushängeschild mit einer Liste von hochachtbaren Persönlichkeiten hinweisen – darunter englische Herzoginnen, amerikanische Leitartikler und französische Wissenschaftler, von denen die meisten den Namen Münzenberg nie gehört hatten und die Komintern für einen von Goebbels erfundenen Butzemann hielten.
     
     
    Fieberhafte Propagandatätigkeit
     
    Nachdem der VII. Kongreß den allgemeinen Kurswechsel befohlen hatte und die Volksfront aus der Taute gehoben worden war, nahm Wallis Unternehmungslust wahrhaft schwindelerregende Ausmaße an. Er gründete das „Komitee gegen Krieg und Faschismus" (die sogenannte Amsterdamer Fieyei-Bewegung), dem Henri Barbusse präsidierte; die „Schriftstellerorganisation zur Verteidigung der Kultur", den „Untersuchungsausschuß für angebliche Verstöße gegen das Nichteinmischungsabkommen über Spanien" und eine ganze Reihe von anderen aus der Konjunktur sich ergebenden Unternehmen. Er war ein Organisationsgenie, ein einfallsreicher Propagandist und in seinen Methoden nicht skrupelloser als erforderlich, um sich in der von Intrigen vergifteten Atmosphäre der Komintern seine Stellung zu erhalten. Sollte je eine Biographie von Willi Münzenberg geschrieben werden, würde sie zweifellos eines der aufschlußreichsten Dokumente über die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen sein.
    Ich arbeitete unter Willi zu Beginn meines Pariser Exils – zur Zeit des Reichstagsbrand-Prozesses und der Braunbücher; dann wieder während des Spanischen Bürgerkrieges und schließlich im Jahre 1938, nach seinem Bruch mit der Komintern, als wir zusammen ein unabhängiges antifaschistisches Wochenblatt mit dem Titel Die Zukunft herausgaben. Zwischendurch plagte ich mich als freier Journalist ab, redigierte zur Zeit der Volksabstimmung an der Saar ein Partei-Witzblatt, genannt Die Saar-Ente (sie wurde gleich nach der ersten Nummer von der Partei als zu frivol wieder eingestellt), und fungierte ein fieberhaftes, hungriges, aber glückliches Jahr hindurch als unbezahlter Geschäftsführer des Pariser „Instituts zum Studium des Faschismus". Das war ein Archiv und Forschungsinstitut, das von Angehörigen der KP betrieben und von der Komintern kontrolliert, aber nicht finanziert wurde. Zweck und Ziel dieser Einrichtung war, ein von den massenpropagandistischen Methoden der Münzenberg-Unternehmen unabhängiges Institut für das ernsthafte Studium der faschistischen Regimes zu schaffen. Wir wurden durch Spenden der französischen Gewerkschaften und aus französischen Intellektuellen- und Akademikerkreisen unterhalten. Wir arbeiteten alle ohne Gehalt zehn bis zwölf Stunden am Tag; glücklicherweise gab es in unseren Räumen in der Rue Buffon eine Küche, wo jeden Mittag ein gewaltiger Topf dicker Erbsensuppe für die Mitarbeiter gekocht wurde. Mehrere Wochen lang war dies meine einzige Nahrung. Ich wohnte damals auf einem Heuboden, in einer verrückten Freiluftkolonie der Anhänger Raymond Duncans in Meudon Val Fleuri ; – das war der einzige Ort, wo ich mietfrei übernachten konnte. Allerdings hatte ich dafür täglich einen kilometerlangen Fußmarsch zum Büro zu bewältigen.
     
     
    Warum ich dabei blieb
     
    Sich selbstlos und von ganzer Seele einer Arbeit hinzugeben, ist das wirksamste Mittel, um sein Gewissen zu betäuben. Die Missetaten des Sowjetregimes und des Kominternapparates traten in den Hintergrund zurück, das einzige, worauf es ankam, war der Kampf gegen Hitler und den drohenden Krieg. Keiner von uns verstand, daß unsere Führer den Kampf nicht ernst meinten; daß wir die Schatten in einem Scheingefecht waren.
    Es gab noch einen zweiten psychologischen Faktor, der mir half, bei der Stange zu bleiben – eine Überzeugung, die von den besten meiner Freunde, die jetzt entweder die Partei verlassen haben oder liquidiert worden sind, geteilt wurde. Obwohl wir Scheuklappen trugen, waren wir nicht völlig blind, und selbst die verbissensten Fanatiker unter uns konnten nicht umhin zu bemerken, daß in der Bewegung nicht alles war, wie es sein sollte. Aber wir wurden niemals müde, einer dem andern und jeder sich selbst vorzusagen, daß die Partei nur von innen her, nicht

Weitere Kostenlose Bücher