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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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liebst du mich denn so?« sagte er leise, aber nun mit einer völlig anderen Stimme. Seine Stimme bebte, etwas ganz Neues klang in ihr auf, fast, als hätte ein anderer gesprochen.
    Ich wollte etwas antworten, vermochte es aber nicht und rannte nach oben. Er verharrte immer noch an derselben Stelle, und erst, als ich meine Wohnung erreicht hatte, hörte ich, wie die Haustür sich öffnete und laut zuschlug. Vorbei an meinem Vermieter, der mir wieder in den Weg lief, eilte ich in mein Zimmer, schob den Riegel vor und warf mich, ohne die Kerze anzuzünden, auf mein Bett, mit dem Gesicht in das Kissen – und weinte und weinte. Ich weinte zum ersten Mal seit der Zeit bei Touchard! Dieses Schluchzen brach aus mir mit solcher Gewalt hervor, und ich war so glücklich, daß … aber wozu es beschreiben!
    Jetzt habe ich dies, ohne mich zu schämen, niedergeschrieben, denn alles hatte vielleicht auch etwas Gutes, trotz aller Ungereimtheiten.
    III
    Aber ich habe es ihm auch heimgezahlt! Ich wurde ein fürchterlicher Despot. Es versteht sich, daß diese Szene zwischen uns nie mehr erwähnt wurde. Im Gegenteil, wir begegneten uns am übernächsten Tag so, wie wenn nichts geschehen wäre – mehr noch: Ich war an diesem zweiten Abend beinahe grob und er gleichsam trocken. Dies fand wieder bei mir statt; ich habe ihn aus irgendeinem Grunde immer noch nicht aufgesucht, ungeachtet des Wunsches, meine Mutter zu sehen. Gesprochen haben wir in dieser ganzen Zeit, das heißt, in diesen ganzen zwei Monaten, ausschließlich über Abstraktes. Und ich wundere mich darüber: Wir taten nichts anderes, als uns über Abstraktes zu unterhalten – natürlich über Allgemeinmenschliches und Unumgängliches, das aber niemals etwas Konkretes berührte. Indessen galt es, vieles, sehr vieles Konkrete zu bestimmen und aufzuklären, und sogar dringend, aber gerade darüber haben wir geschwiegen. Ich habe nicht einmal über meine Mutter und über Lisa gesprochen und auch nicht über … nun, schließlich nicht über mich und meine ganze Geschichte. Lag es an meinem Schamgefühl oder an einer jugendlichen Dummheit – ich weiß es nicht. Ich nehme an, es war die Dummheit, denn über das Schamgefühl hätte ich mich trotz allem hinwegsetzen können. Ich gab mich ihm gegenüber furchtbar despotisch, verstieg mich mehrfach zu schlichter Dreistigkeit, und dies sogar wider mein Herz: Dabei geschah alles irgendwie von selbst, unaufhaltsam, ich hatte mich nicht in der Gewalt. In seinem Ton, wenn auch unverändert freundlich, schwang nach wie vor ein feiner Spott, trotz allem. Mich verblüffte außerdem, daß er es bevorzugte, mich aufzusuchen, worauf ich mich schließlich sehr selten bei meiner Mutter zeigte, einmal wöchentlich, niemals öfter, besonders in der allerletzten Zeit, als ich vollends in den Strudel geraten war. Er kam immer abends, saß bei mir und plauderte; er plauderte auch sehr gern mit meinem Vermieter; das nahm ich einem Menschen wie ihm höchst übel. Manchmal tauchte bei mir auch der Gedanke auf: Hatte er denn niemand außer mir, den er besuchen konnte? Aber ich wußte ganz sicher, daß er Konnexionen hatte; und daß er in der letzten Zeit viele seiner früheren Bekanntschaften aus der großen Welt, die er letztes Jahr abgebrochen hatte, wieder erneuerte; aber anscheinend fand er sie nicht besonders verlockend und hatte die meisten nur der Form halber erneuert, mich aber besuchte er wohl lieber. Mich berührte es immer wieder, wie er abends fast zaghaft die Tür öffnete und im ersten Augenblick jedesmal merkwürdig besorgt meinen Blick suchte: »Störe ich vielleicht? Du brauchst es nur zu sagen, und ich gehe.« Manchmal sprach er das sogar aus. Einmal zum Beispiel, schon in der allerletzten Zeit, trat er ein, als ich schon fertig angekleidet war, in einem gerade vom Schneider gelieferten Anzug, und mich zum »Fürsten Serjoscha« begeben wollte, um mit ihm auszugehen (wohin – das werde ich später erklären). Er aber trat ein, nahm Platz, ohne zu registrieren, daß ich im Aufbruch war: Ihm eignete eine vorübergehende, recht sonderbare Zerstreutheit. Ausgerechnet jetzt begann er, von meinem Vermieter zu reden; ich fuhr auf:
    »Hol ihn der Teufel, diesen Vermieter!«
    »Ach, mein Lieber«, plötzlich erhob er sich von seinem Platz, »du bist, glaube ich, auf dem Sprung und willst ausgehen, und ich habe dich aufgehalten … Entschuldige, bitte.«
    Und er beeilte sich ganz bescheiden, sich zu verabschieden. Und gerade diese

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