Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
etwa vor zwei Wochen, wegen einer Summe an ihn gewandt, und er war bereit gewesen, sie mir zu geben, aber aus irgendeinem Grunde waren wir uns damals nicht einig geworden, und ich hatte das Geld von mir aus nicht genommen: Er hatte damals nach seiner Gewohnheit etwas unklar gemurmelt, und ich hatte den Eindruck, er mache einen Vorschlag und biete mir irgendwelche besonderen Konditionen; und da ich ihn jedes Mal, wenn wir uns beim Fürsten begegneten, entschieden herablassend behandelt hatte, lehnte ich stolz auch nur den leisesten Gedanken an irgendwelche besonderen Konditionen ab und verabschiedete mich, obwohl er mir bis zur Tür unter Beschwörungen folgte; das Geld nahm ich damals vom Fürsten.
Stjebelkow logierte in einer Junggesellenwohnung, und zwar einer ziemlich repräsentativen: Vier prächtige Zimmer, bestens möbliert, mit männlicher und weiblicher Bedienung und einer Hausdame, allerdings einer ziemlich betagten. Als ich eintrat, kochte ich vor Zorn.
»Hören Sie, mein Guter«, begann ich schon in der Tür, »was hat das zu bedeuten: Erstens dieser Brief? Eine Korrespondenz zwischen Ihnen und mir kann ich nicht dulden. Und warum haben Sie Ihre Wünsche vorhin, beim Fürsten, nicht offen erklärt: Ich stand ja zu Ihrer Verfügung.«
»Und warum haben Sie vorhin ebenfalls geschwiegen und nicht gefragt?« Sein Mund verzog sich zu einem höchst selbstzufriedenen Lächeln.
»Weil ich Sie nicht brauche, aber Sie mich brauchen!« rief ich in einem plötzlichen Wutanfall.
»Aber warum kommen Sie dann zu mir, wenn dem so ist?« Er hüpfte beinahe vor Vergnügen auf seinem Platz. Ich drehte mich sofort um und wollte gehen, aber er hielt mich an der Schulter fest.
»Nein, nein, ich habe Spaß gemacht. Die Angelegenheit ist wichtig; Sie werden es selbst sehen.«
Ich setzte mich. Ich gebe zu, ich war neugierig. Wir saßen an dem großen Schreibtisch, einander gegenüber. Er lächelte listig und hob schon wieder den Zeigefinger.
»Bitte, ohne Ihre üblichen Mätzchen und die Zeigefinger! Und vor allem, ganz ohne Allegorien, kommen Sie direkt zur Sache, sonst stehe ich sofort auf und gehe!« rief ich in einem neuerlichen Wutanfall.
»Sie sind … stolz!« Das klang wie ein dummer Vorwurf, wobei er sich in seinem Sessel zu mir hinüberneigte und sämtliche Falten auf seiner Stirn hochzog.
»Mit Ihnen geht es nicht anders!«
»Sie … Sie wollten heute vom Fürsten Geld haben, dreihundert Rubel; ich habe Geld. Mein Geld ist besser.«
»Woher wissen Sie, daß ich Geld haben wollte?« Ich war verblüfft. »Hat er es Ihnen etwa selbst gesagt?«
»Er hat es mir gesagt; seien Sie unbesorgt! Nur so nebenbei, beiläufig, ohne besondere Absicht. Er hat es mir gesagt. Aber es wäre möglich gewesen, nichts von ihm zu nehmen. Ist es so oder nicht so?«
»Aber Sie nehmen es, wie ich höre, von Lebenden und Toten.«
»Ich habe einen mont de piété, von wegen Lebende und Tote. Ich tue es nur für gute Freunde. Die anderen bekommen nichts. Für gute Freunde habe ich Geld, für die anderen nicht. Für die anderen ist der mont de piété da.«
Dieser mont de piété war die gewöhnlichste Pfandleihe, die unter einem anderen Namen in einer anderen Wohnung florierte.
»Aber meine guten Freunde bekommen von mir große Summen.«
»Dann ist also der Fürst ein guter Freund von Ihnen?«
»Ein gu-u-uter Freund. Aber … Aber er hat ein loses Mundwerk, und das darf er nicht.«
»Wieso? Haben Sie ihn etwa in der Hand? Hohe Schulden?«
»Er hat … hohe Schulden.«
»Er wird zahlen; er hat eine große Erbschaft gemacht.«
»Das ist nicht seine Erbschaft; er schuldet Geld und noch etwas anderes. Die Erbschaft reicht nicht. Von Ihnen werde ich keine Prozente nehmen.«
»Auch wie von einem ›guten Freund‹? Womit habe ich das verdient?« Ich mußte lachen.
»Sie werden es verdienen.« Er machte in seinem Sessel dieselbe Bewegung mit dem ganzen Körper zu mir hin und hob schon den Finger.
»Stjebelkow! Weg mit dem Finger, sonst gehe ich!«
»Passen Sie auf … Er könnte Anna Andrejewna heiraten!« Dabei kniff er das linke Auge mephistophelisch zu.
»Hören Sie, Stjebelkow, unser Gespräch gerät in anzügliche Bahnen … Wie können Sie es wagen, den Namen Anna Andrejewnas auch nur zu erwähnen?«
»Ärgern Sie sich nicht.«
»Ich nehme mich zusammen und höre Ihnen zu, weil ich den deutlichen Eindruck habe, es ginge dabei um eine Machenschaft, und ich möchte sie durchschauen … Aber meine Geduld kann
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