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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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wollte er sich auf mich stürzen.
    »Das überschreitet schon alle Grenzen«, sagte ich und verließ schnellen Schrittes das Zimmer. Aber noch bevor ich das Ende des Saales erreicht hatte, rief er mir aus der Tür des Kabinetts nach:
    »Andrej Makarowitsch, kommen Sie zurück! Kom – men – Sie – zu – rück! Kom – men – Sie – so – fort – zu – rück!«
    Ich folgte nicht und ging weiter. Er holte mich mit raschen Schritten ein, packte mich bei der Hand und zog mich in das Kabinett zurück. Ich widersetzte mich nicht!
    »Nehmen Sie!« sagte er, bleich vor Erregung, indem er mir die von mir hingeworfenen dreihundert hinhielt, »nehmen Sie unbedingt … Sonst sind wir … unbedingt!«
    »Aber, Fürst! Wie kann ich es nehmen?«
    »Also, dann werde ich Sie um Verzeihung bitten, wünschen Sie das? Also, verzeihen Sie mir! …«
    »Fürst, ich habe Sie immer gern gehabt, und wenn Sie mich auch …«
    »Ich – auch; nehmen Sie …«
    Ich nahm es. Seine Lippen zitterten.
    »Ich kann es nachfühlen, Fürst, Sie sind wegen dieses Schurken außer sich geraten … aber ich werde dieses Geld nur dann nehmen, wenn wir den Friedenskuß tauschen, wie früher, nachdem wir uns gestritten hatten …«
    Als ich das sagte, zitterte ich ebenfalls.
    »Auch noch sentimental!« murmelte der Fürst mit verlegenem Lächeln, neigte aber den Kopf und küßte mich. Ich schauderte: In seinem Gesicht las ich in dem Augenblick, da er mich küßte, einen unmißverständlichen Widerwillen.
    »Hat er Ihnen wenigstens das Geld gebracht?«
    »Egal.«
    »Ich frage ja Ihretwegen …«
    »Jaja, er hat es gebracht.«
    »Fürst, wir waren Freunde … Und schließlich wird Werssilow …«
    »Jaja, schon gut!«
    »Und schließlich weiß ich wirklich nicht sicher, ob ich diese dreihundert …«
    Ich hielt sie in der Hand.
    »Nehmen Sie! Neh – men – Sie!« Er lächelte abermals, aber in seinem Lächeln war etwas sehr Ungutes.
    Ich nahm es.

Drittes Kapitel
    I
    Ich nahm es deswegen, weil ich ihn gern hatte. Wer daran zweifelt, dem antworte ich, daß ich wenigstens in dem Augenblick, da ich das Geld aus seiner Hand nahm, fest überzeugt war, ich könnte es, wenn ich nur wollte, ohne weiteres auch aus einer anderen Quelle bekommen. Folglich hätte ich das Geld nicht aus Not, sondern aus Taktgefühl genommen, nur, um ihn nicht zu kränken. O weh, das waren damals meine Überlegungen! Dennoch war ich sehr bedrückt, als ich ihn verließ: Ich konnte seine außerordentliche Veränderung mir gegenüber an diesem Vormittag nicht übersehen; ein solcher Ton hatte zwischen uns noch nie geherrscht; und was Werssilow betraf, so handelte es sich um eine entschiedene Rebellion. Natürlich hatte Stjebelkow ihm vorhin irgendwie zugesetzt, aber er hatte den Anfang damit noch vor Stjebelkow gemacht. Ich wiederhole noch einmal: Eine Veränderung gegenüber seinem anfänglichen Verhalten war schon während der letzten Tage zu bemerken, aber nicht so kraß, nicht bis zu diesem Grade – das war das Entscheidende.
    Es konnte vielleicht auch die Wirkung der dummen Nachricht über den Flügeladjutanten Baron Bjoring gewesen sein … Ich war ebenfalls erregt, als ich ihn verließ, aber … Das war es ja, daß damals alles von etwas ganz anderem überstrahlt war und ich so vieles leichtsinnig an mir vorüberziehen ließ: Ich wollte es vorüberziehen lassen, ich wies alles Düstere von mir ab und wandte mich dem Strahlenden zu …
    Es war noch nicht ein Uhr mittags. Vom Fürsten ließ ich mich von meinem Matwej – ist es zu glauben? – zu Stjebelkow fahren! Das war es ja, daß er mich vorhin weniger durch sein Erscheinen beim Fürsten (er hatte sich bei ihm angekündigt) in Erstaunen versetzt hatte als vielmehr dadurch, daß er mir nach seiner dummen Gewohnheit zwar zuzwinkerte, aber keineswegs bei dem Thema, das ich erwartet hatte. Am Abend vorher hatte ich von ihm mit der Stadtpost einen Brief erhalten, der mir ziemlich rätselhaft war, in dem er mich beschwor, ihn eben heute, nach ein Uhr mittags, aufzusuchen, und versicherte, er habe mir »einiges für mich Überraschende mitzuteilen«. Und ausgerechnet dieser Brief war gerade, das heißt, beim Fürsten, von ihm mit keiner Silbe erwähnt worden. Welche Geheimnisse konnte es zwischen Stjebelkow und mir geben? Schon die bloße Idee war zum Lachen; aber angesichts dessen, was sich ereignet hatte, war ich auf dem Weg zu ihm sogar ein bißchen aufgeregt. Freilich, ich hatte mich einmal,

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