Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
reißen, Stjebelkow!«
»Ärgern Sie sich nicht, seien Sie nicht so stolz. Ein kleines Weilchen nur nicht so stolz, und hören Sie mich an; und dann wieder so stolz wie vorher. Sie haben über Anna Andrejewna schon gehört? Davon, daß der Fürst möglicherweise heiraten wird … Das haben Sie doch gehört?«
»Von dieser Idee habe ich natürlich gehört und weiß alles, aber ich habe nie mit dem Fürsten über diese Idee gesprochen. Ich weiß nur, daß diese Idee im Kopf des alten Fürsten Sokolskij entstand, der auch jetzt noch krank ist; aber ich habe noch nie darüber gesprochen und bin daran nicht beteiligt. Indem ich Sie nur dies als Erklärung wissen lasse, erlaube ich mir zu fragen, erstens: Wozu haben Sie ausgerechnet mit mir davon angefangen? Und zweitens: Ist es denn möglich, daß der Fürst mit Ihnen über solche Themen spricht?«
»Er spricht nicht mit mir, er wünscht nicht, mit mir zu sprechen, sondern ich spreche mit ihm; und er wünscht auch nicht, mir zuzuhören. Vorhin hat er gebrüllt.«
»Klar! Ich gebe ihm recht.«
»Der alte Herr, Fürst Sokolskij, wird Anna Andrejewna eine große Mitgift spendieren; sie hat ihm schöngetan, und darauf wird der Bräutigam, Fürst Sokolskij, mir alles Geld zurückzahlen. Und die nichtpekuniäre Schuld ebenfalls zurückzahlen. Er wird bestimmt zurückzahlen! Jetzt hat er ja nichts, womit er zurückzahlen kann.«
»Aber ich, ich! Wozu brauchen Sie mich?«
»Für die Hauptsache: Sie haben Beziehungen; Sie haben dort überall Beziehungen. Sie können alles herauskriegen.«
»Zum Kuckuck … was herauskriegen?«
»Ob der Fürst will, ob Anna Andrejewna will, ob der alte Fürst will. Genau herauskriegen!«
»Sie wagen es, mir vorzuschlagen, für Sie zu spionieren, und zwar für Geld!«
Vor lauter Entrüstung sprang ich auf.
»Nicht so stolz, nicht so stolz! Nur noch ganz kurz ohne Stolz, höchstens fünf Minuten.« Darauf setzte ich mich wieder. Es war offensichtlich, daß er sich aus meinen Gesten und Ausrufen nicht viel machte; aber ich war entschlossen, ihn zu Ende reden zu lassen.
»Ich muß es bald wissen, sehr bald wissen, weil … weil es vielleicht sehr bald zu spät sein wird. Haben Sie gesehen, wie er die bittere Pille geschluckt hat, als der Offizier auf den Baron und die Achmakowa zu sprechen kam?«
Es war für mich entschieden erniedrigend, daß ich länger zuhörte, aber meine Neugier war unersättlich.
»Hören Sie, Sie nichtswürdiger Mensch!« sagte ich entschieden. »Wenn ich auch hier sitze und zuhöre und Ihr Gerede über Persönlichkeiten dulde, die … und Ihnen selbst Antwort gebe, so heißt das keinesfalls, daß ich Ihnen ein Recht darauf zubillige. Ich vermute dahinter einfach irgendeine Niedertracht … Und dann, erstens, welche Hoffnungen könnte der Fürst sich auf die Hand Katerina Nikolajewnas machen?«
»Gar keine, aber er rast.«
»Das ist nicht wahr!«
»Rast. Jetzt ist also die Achmakowa nicht mehr im Spiel. Er hat seinen besten Trumpf verloren. Jetzt bleibt ihm nur Anna Andrejewna. Ich gebe Ihnen zweitausend … Ohne Prozente und ohne Wechsel.«
Darauf lehnte er sich entschlossen und gravitätisch in seinem Stuhl zurück und starrte mich an. Ich ließ ihn gleichfalls nicht aus den Augen.
»Sie kleiden sich auf der Bolschaja Millionnaja ein; dafür braucht man Geld, Geld; mein Geld ist besser als seines. Ich gebe Ihnen mehr als zweitausend …«
»Aber wofür denn? Wofür, zum Teufel?«
Ich stampfte mit dem Fuß. Er beugte sich zu mir herüber und sagte mit besonderem Nachdruck:
»Dafür, daß Sie mich nicht stören.«
»Das kümmert mich doch sowieso nicht!« rief ich.
»Ich weiß, daß Sie schweigen; das ist gut.«
»Ich pfeife auf Ihre Ermunterung. Meinerseits bin ich dafür, aber ich halte es für eine fremde Angelegenheit und meine Einmischung sogar für unanständig.«
»Sehen Sie, sehen Sie, unanständig!« Und damit hob er wieder den Finger.
»Was heißt ›sehen Sie‹?«
»Unanständig … Haha«, plötzlich lachte er auf. »Verstehe, verstehe, daß es für Sie unanständig wäre, aber … Sie werden mir doch nicht ins Gehege kommen?« Er zwinkerte mir zu. Aber in diesem Zwinkern lag inzwischen etwas so Dreistes, sogar Höhnisches und Niederträchtiges! Er setzte bei mir wohl irgendeine Gemeinheit voraus und kalkulierte auf diese Gemeinheit … Das war klar. Aber ich verstand immer noch nicht, worum es ging.
»Anna Andrejewna ist ebenfalls Ihre Schwester, wenn’s beliebt«, sagte er
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