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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Pawlowna nicht zu Hause sein. Und wie konnte so etwas geklärt werden, ohne im voraus mit Tatjana Pawlowna alles zu besprechen? Sollte das bedeuten, daß Tatjana Pawlowna eingeweiht war? Aber dieser Gedanke kam mir absurd vor, irgendwie schamlos, beinahe roh.
    Und schließlich könnte es durchaus sein, daß sie schlicht und einfach Tatjana Pawlowna besuchen wollte und es mir gestern ohne jede Absicht erzählte, ich mir aber wer weiß was eingebildet hatte. Es wurde ja auch nur nebenbei gesagt, ruhig, gelassen und auch noch nach einer ziemlich langweiligen Unterhaltung, denn ich war in der ganzen Zeit, die ich gestern bei ihr verbracht hatte, aus irgendeinem Grunde ganz durcheinander: Ich saß da, lallte, wußte nicht, was ich sagen sollte, haßte mich selbst und genierte mich entsetzlich, sie aber hatte noch etwas vor, wie sich später herausstellte, und war sichtlich froh, als ich mich zum Gehen anschickte. All diese Erwägungen jagten mir durch den Kopf. Endlich stand mein Entschluß fest: Ich werde hingehen, läuten, die Köchin öffnet, und fragen: »Ist Tatjana Pawlowna zu Hause?« Wenn sie nicht zu Hause ist, bedeutet das »Rendezvous«. Aber ich war sicher, ganz sicher!
    Ich lief die Treppe hinauf, und im Treppenhaus, vor der Wohnungstür, war meine ganze Furcht verschwunden. “Komme, was da wolle!” dachte ich. “Wenn es nur schnell geht!” Die Köchin öffnete und beschied mich, mit ihrem widerlichen Phlegma näselnd, daß Tatjana Pawlowna nicht zugegen sei. »Und ist sonst niemand da, wartet nicht sonst jemand auf Tatjana Pawlowna?« – die Frage lag mir schon auf der Zunge, aber ich fragte nicht: “Ich schaue lieber selbst nach.” Ich murmelte, zur Köchin gewandt, daß ich warten würde, warf den Pelz ab und öffnete die Tür.
    Katerina Nikolajewna saß am Fenster und »wartete auf Tatjana Pawlowna«.
    »Ist sie nicht da?« fragte sie mich plötzlich, gleichsam besorgt und ärgerlich, kaum daß sie mich erblickt hatte. Ihre Stimme und ihre Miene entsprachen so wenig meinen Erwartungen, daß ich wie versteinert auf der Schwelle stehenblieb.
    »Wer ist nicht da?« murmelte ich.
    »Tatjana Pawlowna! Habe ich Sie gestern nicht gebeten, ihr auszurichten, ich würde um drei Uhr bei ihr sein?«
    »Ich … ich habe sie gar nicht gesehen.«
    »Haben Sie es vergessen?«
    Ich setzte mich und war vernichtet. Das war es also! Und, die Hauptsache, alles war so klar wie zwei mal zwei, aber ich – ich blieb immer noch hartnäckig und glaubte.
    »Ich erinnere mich nicht, daß Sie mich gebeten hätten, ihr etwas auszurichten. Und Sie haben mich auch nicht gebeten: Sie haben einfach gesagt, daß Sie um drei hiersein würden«, stieß ich ungeduldig hervor. Ich sah sie nicht an.
    »Ach!« rief sie plötzlich. »Wenn Sie vergessen haben, es auszurichten, selbst aber wußten, daß ich hiersein würde, wieso sind Sie dann hierhergekommen?«
    Ich hob den Kopf: Weder Spott noch Zorn waren in ihrem Gesicht, sondern nur das ihr eigene helle, fröhliche Lächeln und jene besondere, auffällige Miene, ein Mutwille, der beinahe kindlich war. “Na, siehst du, ich habe dich restlos durchschaut; und was sagst du jetzt?” schien ihr ganzes Gesicht auszudrücken.
    Ich wollte nicht antworten und schlug die Augen abermals nieder. Das Schweigen dauerte etwa eine halbe Minute.
    »Kommen Sie jetzt von Papa?« fragte sie plötzlich.
    »Ich komme direkt von Anna Andrejewna, bei Fürst Nikolaj Iwanowitsch bin ich gar nicht gewesen … und Sie haben das gewußt«, fügte ich plötzlich hinzu.
    »Und bei Anna Andrejewna ist Ihnen nichts Besonderes zugestoßen?«
    »Soll das heißen, daß ich jetzt wie ein Verrückter aussehe? Nein, ich habe auch schon, bevor ich zu Anna Andrejewna kam, wie ein Verrückter ausgesehen.«
    »Und sind auch bei ihr nicht zur Vernunft gekommen?«
    »Nein, ich bin nicht zur Vernunft gekommen. Ich habe dort außerdem gehört, Sie würden Baron Bjoring heiraten.«
    »Hat sie das Ihnen gesagt?« fragte sie plötzlich interessiert.
    »Nein, ich habe es ihr weitererzählt, weil ich gehört hatte, wie Naschtschokin mit Fürst Sergej Petrowitsch davon sprach, als er ihn besuchte.«
    Ich hatte die Augen immer noch nicht zu ihr erhoben: Sie ansehen bedeutete, in Licht, Freude und Glück einzutauchen, aber ich wollte nicht glücklich sein. Der Stachel der Entrüstung war tief in mein Herz eingedrungen, und ich habe in einem einzigen Augenblick einen gewaltigen Entschluß gefaßt. Dann begann ich plötzlich zu reden,

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