Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
war auch ich ein Falschmünzer? Ich konnte es unmöglich nicht wissen, ich bin doch kein kleines Kind; ich habe es gewußt, aber ich habe mich amüsiert, und ich habe den Gaunern und Zuchthäuslern Hilfe geleistet … und zwar für Geld! Folglich bin auch ich ein Falschmünzer!«
»Oh, Sie übertreiben; Sie haben sich schuldig gemacht, aber Sie übertreiben!«
»Und die Hauptsache, da ist ein gewisser Schibelskij, ein noch jüngerer Mann, eine Art Jurist, eine Art Gehilfe eines Winkeladvokaten. An diesen Aktien ist auch er irgendwie beteiligt, als Kurier zwischen diesem Herrn aus Hamburg und mir, es ging immer um Bagatellen, versteht sich, ich wußte sogar nicht einmal, worum es ging, von Aktien war gar nicht die Rede … Aber er hat zwei Dokumente von meiner Hand, zwei Zettel von jeweils ein paar Zeilen, aber auch sie sind Beweise gegen mich, das habe ich heute sehr gut begriffen. Stjebelkow erklärt mir, daß dieser Schibelskij eine üble Rolle spiele: Er habe irgendwo Geld gestohlen, ich glaube sogar, Amtsgelder, und plane, noch mehr zu stehlen und dann zu emigrieren; also brauche er achttausend Rubel, nicht weniger, als Beihilfe für die Emigration. Mein Teil der Erbschaft würde Stjebelkow zufriedenstellen, aber Stjebelkow sagt, daß man auch Schibelskij zufriedenstellen müsse … Kurz, ich müsse auf mein Erbteil verzichten und weitere zehntausend dazulegen – das ist ihr letztes Wort. Dann würden sie mir meine beiden Zettel zurückgeben. Sie stecken unter einer Decke, das ist klar.«
»Das ist offenbarer Unsinn! Wenn die beiden Sie anzeigen, liefern sie sich selbst ans Messer! Deshalb werden sie unter keinen Umständen Anzeige erstatten.«
»Ich verstehe. Sie drohen mir ja gar nicht, daß sie mich anzeigen werden; sie wiederholen nur: ›Wir werden Sie natürlich nicht anzeigen, aber, falls die Sache platzt, dann …‹ Das ist alles, was sie sagen; aber ich denke, das genügt! Es geht um etwas anderes: Was auch werden mag, und sollte ich diese Zettel jetzt schon in der Tasche haben, eine Solidarität mit diesen Gaunern, mein Leben lang ihr Kumpan sein, ewig, ewig! Rußland belügen, meine Kinder belügen, Lisa belügen, mein eigenes Gewissen belügen! …«
»Weiß Lisa Bescheid?«
»Nein, sie weiß nicht alles. Sie hätte es in ihrem jetzigen Zustand nicht überlebt. Ich trage jetzt die Uniform meines Regiments und muß bei jeder Begegnung mit einem Soldaten dieses Regiments mir jeden Augenblick sagen, daß ich diese Uniform nicht tragen darf.«
»Hören Sie«, rief ich plötzlich, »es gilt keine Worte mehr zu verlieren; der einzige Wege zur Rettung, der Ihnen geblieben ist: Gehen Sie zum Fürsten Nikolaj Iwanowitsch, lassen Sie sich von ihm zehntausend Rubel geben, bitten Sie ihn, ohne ihn ins Vertrauen zu ziehen, bestellen Sie anschließend diese beiden Schurken zu sich, rechnen Sie endgültig mit ihnen ab, kaufen Sie Ihre Zettel zurück … und die Sache ist erledigt! Der ganze Wust nimmt ein Ende, und Sie brechen auf und fangen an zu pflügen! Fort mit der Phantasie, vertrauen Sie sich dem Leben an!«
»Ich habe schon daran gedacht«, sagte er mit Bestimmtheit.
»Ich habe heute den ganzen Tag um einen Entschluß gerungen und habe mich schließlich entschlossen. Ich habe nur auf Sie gewartet; ich werde hingehen. Wissen Sie, daß ich noch nie in meinem Leben den Fürsten Nikolaj Iwanowitsch auch nur um eine Kopeke gebeten habe. Er ist sehr gütig zu unserer Familie und hat sogar … verschiedentlich Anteil an ihrem Schicksal gezeigt, aber ich, ich persönlich, ich habe nie Geld von ihm angenommen. Aber jetzt bin ich entschlossen … Sie müssen wissen, daß unsere Linie der Sokolskijs älter ist als die Linie des Fürsten Nikolaj Iwanowitsch: Sie sind die jüngere Linie, noch dazu eine Seitenlinie, die fast anfechtbar ist … Unsere Ahnen lagen im Streit. Zu Beginn der Petrinischen Reform war mein Ururgroßvater, der auch Pjotr hieß, ein Raskolnik, ist weiterhin ein Raskolnik geblieben und streifte durch die Wälder bei Kostroma … Auch dieser Fürst Pjotr hatte in zweiter Ehe eine Nichtadelige geehelicht … Und eben damals kamen diese anderen Sokolskijs zum Zuge, aber ich … wovon rede ich eigentlich?«
Er war sehr erschöpft und schien selbst nicht mehr zu wissen, was er sagte.
»Sie müssen sich beruhigen«, ich erhob mich und griff nach meinem Hut, »gehen Sie zu Bett und schlafen Sie – das ist das erste. Und Fürst Nikolaj Iwanowitsch wird Ihnen keine Bitte
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