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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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abschlagen, erst recht jetzt nicht, in seiner großen Freude. Haben Sie schon diese Geschichte gehört? Wirklich nicht? Ich habe diese verrückte Geschichte gehört, nämlich daß er auf Freiersfüßen geht; das ist noch ein Geheimnis, aber selbstverständlich nicht für Sie.«
    Und ich erzählte ihm alles; schon im Stehen, den Hut in der Hand. Er wußte noch nichts. Er erkundigte sich hastig nach den Details, besonders nach Zeit, Ort und Zuverlässigkeit dieser Nachricht. Ich habe natürlich vor ihm nicht verschwiegen, daß es unmittelbar nach seinem Besuch bei Anna Andrejewna geschehen sein mußte. Ich kann gar nicht beschreiben, was für einen schmerzlichen Eindruck diese Nachricht auf ihn machte; sein ganzes Gesicht war verzerrt, nahezu entstellt, seine Lippen verzogen sich in einem schiefen Lächeln; dann wurde er unheimlich bleich und versank in tiefes Nachdenken, wobei er unentwegt auf den Boden starrte. Ich sah plötzlich mit furchtbarer Deutlichkeit, wie sehr sein Ehrgeiz durch die gestrige Absage Anna Andrejewnas verletzt worden war. Vielleicht malte er sich gerade jetzt in seiner krankhaften Stimmung in allzu grellen Farben aus, welch eine lächerliche und erniedrigende Rolle er gestern vor dieser jungen Dame gespielt hatte, von deren Zuneigung er, wie sich jetzt herausstellte, die ganze Zeit so sicher überzeugt war. Und schließlich auch der Gedanke, daß er so niederträchtig Lisa gegenüber gehandelt hatte, und noch dazu umsonst! Es ist bemerkenswert, wofür sich diese feinen Stutzer gegenseitig halten und auf welcher Basis sie überhaupt einander achten; denn dieser Fürst hätte sich doch denken können, daß Anna Andrejewna von seinem Verhältnis mit Lisa, eigentlich ihrer Schwester, wußte, und wenn sie es noch nicht wüßte, es einmal mit Sicherheit erfahren würde; und er hatte an »ihrem Jawort nicht gezweifelt«!
    »Und Sie konnten wirklich glauben«, er richtete plötzlich, stolz und hochmütig, seine Augen auf mich, »daß ich jetzt, nach einer solchen Mitteilung, fähig wäre, den Fürsten Nikolaj Iwanowitsch aufzusuchen und ihn um Geld zu bitten! Den Bräutigam jener Braut, die mir soeben einen Korb gegeben hatte – welche Armseligkeit, welche Charakterlosigkeit! Nein, jetzt ist alles verloren, und wenn die Hilfe dieses alten Mannes meine letzte Hoffnung war, so mag auch diese Hoffnung dahinfahren!«
    In meinem Herzen war ich mit ihm einverstanden; aber die Wirklichkeit durfte nicht so eng betrachtet werden: War denn der alte Herr, der Fürst, ein Mann, ein Bräutigam? In meinem Kopf brodelten mittlerweile einige Ideen. Ich hatte übrigens gerade vorhin beschlossen, den alten Herrn am nächsten Tag zu besuchen. Jetzt aber versuchte ich den Eindruck meiner Worte zu mildern und den armen Fürsten zum Schlafen zu bringen: »Schlafen Sie sich aus, dann kommen Ihnen auch lichtere Ideen!« Er drückte mir fest die Hand, küßte mich aber nicht mehr. Ich gab ihm mein Wort, ihn morgen abend aufzusuchen, dann »wollen wir alles, alles besprechen: Es hat sich viel angesammelt, worüber wir noch sprechen müssen«. Aber auf meine Worte antwortete er nur mit einem fatalistischen Lächeln.

Achtes Kapitel
    I
    Jene ganze Nacht träumte mir von Roulette, von Gold, von Berechnungen. Ständig berechnete ich etwas, als säße ich am Spieltisch, einen Einsatz, eine Chance, und es quälte mich wie ein Alp die ganze Nacht hindurch. Ich gestehe, daß ich auch den ganzen gestrigen Tag, ungeachtet aller außergewöhnlichen Eindrücke, mich immer wieder an meinen großen Gewinn bei Serschtschikow erinnerte. Ich verdrängte den Gedanken, aber der Eindruck ließ sich nicht zurückdrängen, und die bloße Erinnerung ließ mich erzittern. Dieser Gewinn saß wie ein Stachel in meinem Herzen. Sollte ich etwa als Spieler geboren sein? Jedenfalls – sicherlich mit den Qualitäten eines Spielers. Sogar jetzt, da ich dies alles niederschreibe, denke ich minutenlang sehr gern an das Spiel! Es kommt vor, daß ich gelegentlich stundenlang schweigend verharre, mit Berechnungen im Kopf und mit Vorstellungen, wie das alles vor sich geht, wie ich setze und gewinne. Ja, ich habe viele verschiedene »Qualitäten« in mir, und meine Seele kennt keine Ruhe.
    Ich hatte vor, mich um zehn auf den Weg zu Stjebelkow zu begeben, und zwar zu Fuß. Matwej hatte ich, als er sich meldete, sofort nach Hause geschickt. Während ich meinen Kaffee trank, versuchte ich zu überlegen. Aus irgendeinem Grunde fühlte ich mich zufrieden; ich brauchte

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