Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
zufällig.
»Aber wenn man Sie dort schon einmal zugelassen hat, so dürfen Sie doch noch einmal kommen, stimmt’s oder nicht?«
Ich fragte ihn unverblümt, aber sehr kaltblütig, was er sich davon verspreche. Und ich verstehe bis auf den heutigen Tag nicht, wie weit die Naivität eines Menschen geht, der offensichtlich nicht auf den Kopf gefallen und nach Wassins Worten »geschäftstüchtig« sei. Er erklärte mir ebenfalls völlig unverblümt, er hege den Verdacht, daß es sich bei Dergatschow »bestimmt um etwas Verbotenes, um etwas streng Verbotenes handelt und ich daraus, wenn ich der Sache auf den Grund ginge, einen gewissen Vorteil für mich herausschlagen kann«. Dabei lächelte er und zwinkerte mir mit dem linken Auge zu.
Ich ging darauf überhaupt nicht ein, tat aber so, als ob ich mir die Sache überlegte, versprach, »darüber nachzudenken«, und verabschiedete mich darauf schleunigst. Die Lage wurde immer komplizierter: Ich eilte zu Wassin und traf ihn glücklicherweise zu Hause an.
»Aha, Sie – auch!« lautete seine rätselhafte Begrüßung.
Ohne auf diese Begrüßung einzugehen, kam ich sofort zur Sache und erzählte. Er war offensichtlich verdutzt, obwohl seine Kaltblütigkeit nicht im mindesten erschüttert schien. Er fragte mich wiederholt und sehr genau aus.
»Ist es nicht möglich, daß Sie etwas mißverstanden haben?«
»Nein, ich habe bestimmt richtig verstanden. Der Sinn seiner Worte war völlig klar.«
»Jedenfalls bin ich Ihnen außerordentlich dankbar«, fügte er herzlich hinzu. »Ja, wenn alles so war, dann hatte er wohl angenommen, daß Sie einer gewissen Summe nicht widerstehen würden.«
»Zumal er über meine Lage bestens unterrichtet ist: Ich habe immerzu gespielt, ich habe mich übel aufgeführt, Wassin.«
»Ich habe davon gehört.«
»Besonders rätselhaft finde ich, daß er von Ihnen weiß, daß auch Sie dort verkehren. Sie verkehren doch auch dort?« Ich nahm das Risiko dieser Frage auf mich.
»Er weiß ganz genau«, antwortete Wassin völlig unbefangen, »daß ich damit nichts zu tun habe. Im Grunde sind diese jungen Leute, einer wie der andere, eher Schwätzer und nichts sonst; Sie müssen sich übrigens selbst am besten daran erinnern.«
Ich hatte das Gefühl, als traute er mir nicht ganz.
»In jedem Fall bin ich Ihnen außerordentlich dankbar.«
»Ich habe gehört, daß die Geschäfte des Herrn Stjebelkow ein wenig ins Wanken geraten sind«, ich versuchte es mit einer weiteren Frage, »wenigstens habe ich von irgendwelchen Aktien gehört …«
»Von welchen Aktien haben Sie gehört …?«
Ich hatte absichtlich die »Aktien« erwähnt, aber natürlich nicht, um ihm von dem gestrigen Geheimnis des Fürsten zu erzählen. Mir ging es nur um eine Andeutung, um aus seinen Mienen, aus seinen Augen zu lesen: Wußte er von diesen Aktien? Ich erreichte meinen Zweck: Etwas kaum Merkliches, Flüchtiges huschte über sein Gesicht und bestätigte meine Vermutung, daß ihm möglicherweise auch darüber etwas bekannt war. Ich ließ seine Frage: »Von welchen Aktien?« unbeantwortet und schwieg; und er, das war bemerkenswert, wechselte das Thema.
»Wie geht es Lisaweta Makarowna?« erkundigte er sich teilnehmend.
»Es geht ihr gut. Meine Schwester hat Sie schon immer geschätzt …«
Zufriedenheit glänzte in seinen Augen auf: Ich hatte schon lange erraten, daß Lisa ihm nicht gleichgültig war.
»Vor einigen Tagen hat mich Fürst Sergej Petrowitsch aufgesucht«, ließ er mich plötzlich wissen.
»Wann?«
»Genau vor vier Tagen.«
»Nicht gestern?«
»Nein, nicht gestern.« Er sah mich fragend an. »Vielleicht werde ich Ihnen später Genaueres über unsere Begegnung erzählen. Jetzt aber halte ich es für angebracht, Sie darauf aufmerksam zu machen«, fuhr Wassin rätselhaft fort, »daß seine seelische und … sogar geistige Verfassung mir damals gleichsam nicht normal vorkamen. Übrigens habe ich noch einen weiteren Besucher empfangen«, er lächelte plötzlich, »kurz bevor Sie eintraten, und ich sah mich ebenfalls veranlaßt, auf einen nicht ganz normalen Geisteszustand meines Besuchers zu schließen.«
»War der Fürst gerade bei Ihnen?«
»Nein, nicht der Fürst, ich rede jetzt nicht von dem Fürsten. Mich hat vorhin Andrej Petrowitsch Werssilow aufgesucht … Wissen Sie etwas von ihm? Ist ihm etwas Besonderes zugestoßen?«
»Vielleicht ist ihm tatsächlich etwas zugestoßen, aber hat er sich denn gerade bei Ihnen besonders auffällig benommen?«
Weitere Kostenlose Bücher