Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
er schweigt oder wie er spricht oder wie er weint oder gar wie er sich für die alleredelsten Ideen ereifert, sondern achten Sie darauf, wie er lacht. Lacht der Mensch gut, dann ist er ein guter Mensch. Registrieren Sie sämtliche Nuancen: Das Lachen eines Menschen darf Ihnen zum Beispiel unter keinen Umständen als albern erscheinen, wie lustig und gutmütig es auch sein mag. Hören Sie aus seinem Lachen auch den leisesten albernen Unterton heraus – so ist dieser Mensch zweifellos beschränkt, mag er auch nichts anderes tun, als mit Ideen um sich zu werfen. Und wenn auch sein Lachen nichts Albernes hat, der Mensch Ihnen aber plötzlich aus einem unbekannten Grunde komisch vorkommt, wenn auch nur ein klein bißchen – so fehlt ihm das echte Gefühl eigener Würde, jedenfalls zum größten Teil. Und wenn schließlich das Lachen auch ansteckend ist, aber für Sie irgendwie banal klingt, so müssen Sie wissen, daß auch die Natur dieses Menschen ihre banalen Züge hat und daß alles Edle und Erhabene, was Sie an ihm vorher allenfalls bemerkt haben, entweder bewußt angeeignet oder unbewußt übernommen wurde und daß dieser Mensch mit der Zeit sich unbedingt negativ verändern, sich dem »Nützlichen« zuwenden und die edlen Ideen erbarmungslos abschütteln wird als jugendliche Verirrungen und Schwärmereien.
Diese lange Tirade über das Lachen, womit ich sogar den Fluß der Erzählung unterbreche, füge ich an dieser Stelle wohlbedacht ein, weil ich sie für eine der wichtigsten Erkenntnisse meines Lebens halte. Insbesondere empfehle ich sie jenen jungen Mädchen im Heiratsalter, die zwar bereit sind, den Auserwählten zu heiraten, ihn aber immer noch nachdenklich und zweifelnd betrachten und die endgültige Entscheidung hinauszögern. Möge man den jämmerlichen grünen Jungen nicht verhöhnen und es ihm nicht verdenken, daß er sich mit seinen Belehrungen in Eheangelegenheiten aufdrängt, von denen er nichts versteht, aber ich verstehe sehr wohl, daß das Lachen die verläßlichste Kunde von der Seele gibt. Man sehe die Kinder: Die einen lachen ein vollkommenes Lachen, und das macht sie so bezaubernd. Ein weinendes Kind ist für mich garstig, aber das lachende und fröhliche – ein Strahl aus dem Paradies, Offenbarung einer Zukunft, in der der Mensch endlich ebenso rein und arglos sein wird wie ein Kind. Und ebendieses Kindliche und unwahrscheinlich Anziehende leuchtete in dem kurzen Lachen dieses alten Mannes auf. Ich ging sogleich auf ihn zu.
III
»Komm, setz dich, die Beine tragen dich wohl noch nicht«, forderte er mich freundlich auf, wobei er auf den Platz neben sich wies und mir immer noch mit demselben strahlenden Blick ins Gesicht sah. Ich ließ mich neben ihm nieder und sagte:
»Ich kenne Sie, Sie sind Makar Iwanowitsch.«
»So ist es, mein Lieber. Das ist ja sehr schön, daß du aufgestanden bist. Du bist ein Jünglink , du hast es sehr gut. Mit dem Alten geht’s zum Grabe, mit dem Jünglink ins Leben.«
»Sind Sie krank?«
»Ja, mein Freund, ich bin krank, die Füße sind am schlimmsten; bis zur Schwelle haben sie mich noch getragen, die Guten, aber kaum hatte ich mich hier hingesetzt, da schwollen sie an. So steht’s mit mir seit dem letzten Donnerstag, seit wir die Grade haben.« (Das sollte wohl heißen, seit die Kälte eingesetzt hat.) »Bisher habe ich sie mit einer Salbe kuriert, weißt du; es sind bald drei Jahre, daß Edmund Karlytsch, der Doktor in Moskau, Lichten heißt er, sie mir verschrieben hat. Und die Salbe hat mir gutgetan, und wie gut sie mir getan hat; nun aber, auf einmal, hilft sie nicht mehr. Jetzt hab ich’s auch noch auf der Brust. Und seit gestern auch im Rücken, als würden mich die Hunde reißen … Darum kann ich auch nachts nicht schlafen.«
»Wie kommt es, daß man bisher gar nichts von Ihnen gehört hat?« unterbrach ich ihn. Er sah mich an und schien zu überlegen.
»Gib nur acht, daß du die Mutter nicht weckst«, sagte er, als fiele ihm plötzlich etwas ein. »Sie hat sich die ganze Nacht hier in meiner Nähe zu schaffen gemacht und auch noch so leise wie ein Fliege; nun hat sie sich hingelegt, ich weiß. Ach je, ein kranker alter Mann hat es schwer«, seufzte er, »woran, scheint’s, kann seine Seele noch hängen, aber sie klammert sich immer noch dran und hat immer noch Freude an der Welt; und wenn es darum ginge, scheint’s, das Leben wieder von vorne anzufangen, so würde die Seele wohl keine Bange davor haben; auch wenn dieser Gedanke
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