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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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von Wohlgestalt und wünschen selbige nicht einmal; alle sind verloren, und jeder preist sein Verderben und vermeidet, sich der einzigen Wahrheit zuzuwenden. Das Leben ohne Gott aber ist die pure Qual. Und so endet es damit, daß wir dem, womit wir erleuchtet werden, auch fluchen, dieses aber selbst nicht wissen. Und wo bleibt da auch der Sinn: Es ist dem Menschen unmöglich zu sein, ohne sich zu verneigen; ein solcher Mensch könnte sich selbst nicht ertragen, kein Mensch könnte das, und wenn er sich von Gott lossagt, wird er vor einem Götzen auf die Knie fallen – vor einem hölzernen oder goldenen oder einem ausgedachten. Götzenanbeter sind sie alle und keine Gottlosen. So müssen sie genannt werden. Nun, aber wie sollte es keine Gottlosen geben? Es gibt sie, die wahrhaftig gottlos sind, und die sind viel schrecklicher als die anderen, weil sie im Namen Gottes daherkommen. Ich habe mehrmals von solchen gehört, bin aber nie einem begegnet. Die gibt es, mein Freund, und ich denke bei mir, daß es sie auch geben muß.«
    »Es gibt sie, Makar Iwanowitsch«, bestätigte Werssilow plötzlich, »die gibt es, und es muß sie geben.«
    »Die gibt es unbedingt, ›es muß sie geben‹!« platzte ich glühend vor Eifer heraus, ohne zu wissen, warum; aber Werssilows Ton hatte mich mitgerissen, und eine unbestimmte Idee in den Worten »muß es sie geben« verleitete mich dazu. Dieses Gespräch kam für mich völlig unerwartet. Aber in diesem Augenblick geschah plötzlich etwas ebenfalls völlig Unerwartetes.
    IV
    Der Tag war ganz besonders klar; das Rouleau bei Makar Iwanowitsch blieb gewöhnlich, laut Anordnung des Arztes, den ganzen Tag herabgelassen; aber nun war an dem Fenster statt des Rouleaus eine Scheibengardine angebracht worden, so daß der obere Teil des Fensters trotzdem nicht abgedeckt war; und zwar deshalb nicht, weil es den alten Mann bedrückt hatte, bei dem früheren Rouleau keine Sonne zu sehen. Ausgerechnet heute saßen wir so lange zusammen, bis ein Sonnenstrahl plötzlich Makar Iwanowitsch gerade ins Gesicht traf. Im Eifer des Gesprächs schenkte er ihm zunächst keine Beachtung, drehte aber automatisch beim Sprechen mehrmals den Kopf zur Seite, weil der grelle Sonnenstrahl seine kranken Augen heftig störte und reizte. Mama, die neben ihm stand, hatte bereits mehrmals beunruhigt zum Fenster hinaufgeblickt; man hätte einfach das Fenster völlig zuhängen sollen, aber sie kam, um das Gespräch nicht zu stören, auf den Gedanken, das Bänkchen, auf dem Makar Iwanowitsch saß, nach rechts zur Seite zu rücken: Man hätte es insgesamt höchstens eine Handbreit zur Seite rücken müssen. Sie hatte sich schon mehrmals gebückt und das Bänkchen gepackt, aber sie konnte es nicht vom Fleck bewegen; das Bänkchen mit dem darauf sitzenden Makar Iwanowitsch rührte sich nicht. Makar Iwanowitsch nahm ihre Bemühungen zwar wahr, aber ohne es sich im Eifer des Gesprächs klarzumachen, und versuchte sogar ein paar Mal, sich zu erheben, aber die Beine gehorchten ihm nicht. Mama aber fuhr fort, sich anzustrengen und zu ziehen, was schließlich Lisa furchtbar erzürnte. Ich erinnere mich an ihre funkelnden, gereizten Blicke, nur wußte ich damals im ersten Moment nicht, wem sie galten, zumal auch ich durch das Gespräch abgelenkt war. Und plötzlich fuhr sie Makar Iwanowitsch beinahe schrill an:
    »Können Sie sich nicht wenigstens ein bißchen erheben? Sie sehen doch, wie Mama sich anstrengt!«
    Der alte Mann warf ihr einen schnellen Blick zu, begriff augenblicklich die Lage und versuchte sofort, sich zu erheben, aber es glückte ihm nicht: Er kam eine Handbreit hoch, fiel aber sofort auf das Bänkchen zurück.
    »Ich kann nicht, mein Täubchen«, antwortete er kläglich und sah Lisa irgendwie ergeben an.
    »Ein dickes Buch erzählen, das können Sie, aber aufstehen, das können Sie nicht.«
    »Lisa!« fuhr sie Tatjana Pawlowna an. Makar Iwanowitsch machte eine weitere vergebliche Anstrengung.
    »Nehmen Sie die Krücke, sie liegt doch daneben! Mit der Krücke kommen Sie schon hoch!« herrschte ihn Lisa noch einmal an.
    »In der Tat«, sagte der alte Mann und griff sofort nach seiner Krücke.
    »Man muß ihn einfach hochheben«, meinte Werssilow aufstehend; nach ihm erhob sich auch der Arzt, Tatjana Pawlowna sprang hinzu, aber noch bevor sie alle bei Makar Iwanowitsch waren, hatte dieser sich mit aller Kraft auf die Krücke gestützt, sich plötzlich erhoben und blickte mit triumphierender Freude strahlend um

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