Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
zusammen«, er lächelte mit irgendwie schmerzlich zitternden Lippen, »und obwohl ich damals dich, meine Gattin, sogar mit dem Stab hätte belehren können, sogar müssen, hast du mich gedauert, wie du weinend vor mir auf die Knie fielst und nichts verheimlichtest und meine Füße küßtest … Nicht als Vorwurf erinnere ich daran, meine vielmals Geliebte, sondern zur Erinnerung für Andrej Petrowitsch … denn Sie selbst, gnädiger Herr, erinnern sich an Ihr Ehrenwort eines Edelmannes, und die Brautkrone macht alles gut … Vor den Kindern sage ich das, mein hochverehrter Herr …«
Er war außerordentlich erregt und sah Werssilow an, als erwarte er ein bestätigendes Wort. Ich wiederhole, all das geschah so unerwartet, daß ich wie erstarrt dasaß. Werssilow war nicht weniger erregt: Er trat schweigend an Mama heran und umarmte sie fest; darauf trat Mama ebenfalls schweigend vor Makar Iwanowitsch und verneigte sich vor ihm bis zur Erde.
Mit einem Wort, es war eine erschütternde Szene; im Zimmer waren diesmal nur die Unsrigen versammelt, nicht einmal Tatjana Pawlowna war dabei. Lisa saß hochaufgerichtet da und hörte schweigend zu; plötzlich erhob sie sich und sagte, zu Makar Iwanowitsch gewandt, mit fester Stimme:
»Segnen Sie auch mich, Makar Iwanowitsch, zu einer langen Qual. Morgen wird sich mein Schicksal entscheiden … Beten Sie heute für mich.«
Und sie verließ das Zimmer. Ich wußte, daß Makar Iwanowitsch schon alles über sie durch Mama erfahren hatte, aber ich sah zum ersten Mal an diesem Abend Werssilow mit Mama zusammen; bisher hatte ich sie nur dienend in seiner Nähe erlebt. Es war noch furchtbar vieles, was ich an diesem Mann, den ich bereits verurteilte, noch nicht gesehen und nicht gekannt hatte, und deshalb stieg ich verlegen in mein Zimmer hinauf. Und ich muß sagen, daß gerade zu dieser Zeit alle meine Zweifel an ihm sich verdichtet haben; noch niemals habe ich ihn mir so geheimnisvoll und unergründlich vorgestellt wie eben zu jener Zeit; aber gerade davon handelt auch die ganze Geschichte, die ich niederschreibe; alles zu seiner Zeit.
“Allerdings”, dachte ich damals im stillen, als ich schon zu Bett ging, “nun stellt sich heraus, daß er Makar Iwanowitsch sein ‘Ehrenwort eines Edelmanns’ gegeben hat, Mama, sollte sie Witwe werden, zu heiraten. Das hat er verschwiegen, als er mir früher von Makar Iwanowitsch erzählte.”
Den ganzen Tag war Lisa nicht zu Hause und ging, als sie ziemlich spät zurückkam, geradewegs zu Makar Iwanowitsch. Ich wollte zunächst nicht hineingehen, um sie nicht zu stören, aber als ich bald merkte, daß Mama und Werssilow sich bereits dort befanden, trat ich doch ein. Lisa saß neben dem alten Mann und weinte an seiner Schulter, er aber streichelte ihr mit betrübtem Gesicht das Köpfchen.
Werssilow erklärte mir (später, bei mir), daß der Fürst auf seinem Vorhaben bestehe und sich mit Lisa bei der ersten Gelegenheit trauen lassen wolle, noch vor der gerichtlichen Entscheidung. Lisa war der Entschluß schwergefallen, wiewohl sie fast nicht mehr das Recht hatte, sich nicht zu entschließen. Und auch Makar Iwanowitsch hatte »befohlen«, sich trauen zu lassen. Selbstverständlich hätte sich alles später von selbst ergeben, und sie hätte zweifellos auch von sich aus, ohne Befehle und ohne zu schwanken, geheiratet, aber im gegenwärtigen Augenblick war sie von dem, den sie liebte, so sehr beleidigt worden und fühlte sich durch diese Liebe so erniedrigt, sogar in ihren eigenen Augen, daß ihr die Entscheidung schwerfiel. Aber außer der Beleidigung war noch ein anderer Umstand dazugekommen, den ich nicht einmal hätte ahnen können.
»Hast du gehört, daß alle diese jungen Menschen von der Petersburger Seite gestern verhaftet wurden?« fragte plötzlich Werssilow.
»Wie? Dergatschow?« rief ich aus.
»Ja, und auch Wassin.«
Ich war bestürzt, besonders als ich Wassins Namen hörte.
»Aber war er denn irgendwie verwickelt? Mein Gott, was wird jetzt mit ihnen geschehen? Und ausgerechnet zur selben Zeit, da Lisa über Wassin so geklagt hat! … Was glauben Sie, was wird mit ihnen geschehen? Das ist das Werk Stjebelkows! Ich schwöre, das ist das Werk Stjebelkows!«
»Lassen wir das«, sagte Werssilow mit einem eigenartigen Blick (gerade so, wie man einen Menschen ansieht, der verständnislos ist und es auch bleiben will) – »wer weiß, was bei denen los ist, und wer kann wissen, was mit ihnen geschieht? Mir geht es nicht
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