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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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wieder, machte einen Schritt, kehrte um und setzte sich wieder, immer noch den Kopf mit beiden Händen haltend.
    »Ich träume immer wieder von Spinnen«, sagte er plötzlich.
    »Sie sind in einer entsetzlichen Erregung, ich würde Ihnen raten, Fürst, sich ins Bett zu legen und einen Arzt zu verlangen.«
    »Nein, erlauben Sie, das kommt später. Ich habe Sie in erster Linie deshalb zu mir gebeten, um einiges wegen der Trauung mit Ihnen zu besprechen. Die Trauung, wissen Sie, findet hier statt, in der Kirche, ich habe das schon besprochen. Die Zustimmung ist erteilt, und man begrüßt es sogar … Aber was Lisa angeht, so …«
    »Fürst, erbarmen Sie sich Lisas, mein Lieber«, rief ich aus, »quälen Sie sie wenigstens jetzt nicht mit Ihrer Eifersucht!«
    »Wie!« Er starrte mich aus weit aufgerissenen, fast aus den Höhlen tretenden Augen an und verzog das ganze Gesicht zu einem langen, sinnlosen, fragenden Lächeln. Es war offensichtlich, daß das Wort »Eifersucht« ihn aus irgendeinem Grunde furchtbar getroffen hatte.
    »Verzeihung, Fürst, das ist mir nur so entschlüpft. Oh, Fürst, in der letzten Zeit habe ich einen alten Mann kennengelernt, meinen gesetzlichen Vater … Oh, wenn Sie ihn sähen, Sie würden ruhiger … Lisa schätzt ihn auch so sehr.«
    »Ach ja, Lisa … ach ja, er ist – Ihr Vater? Oder … Pardon, mon cher, oder irgend etwas Ähnliches … Ich erinnere mich … sie hat es mir erzählt … ein alter Mann … ich bin überzeugt, ich bin überzeugt. Ich habe auch einen alten Mann gekannt … Mais passons, um sich Klarheit über das Eigentliche dieses Moments zu verschaffen, muß man …«
    Ich erhob mich, um zu gehen. Sein Anblick schmerzte mich.
    »Ich verstehe Sie nicht!« sagte er streng und würdevoll, als er merkte, daß ich mich erhob, um zu gehen.
    »Ihr Anblick schmerzt mich«, sagte ich.
    »Arkadij Makarowitsch, noch ein Wort, noch ein einziges Wort!« Plötzlich packte er mich an den Schultern, mit einem völlig anderen Gesichtsausdruck und anderer Gestik, und drückte mich in den Sessel zurück. »Sie haben doch von denen gehört, Sie verstehen?« Er beugte sich zu mir vor.
    »Ach ja, Dergatschow. Dahinter steckt bestimmt Stjebelkow!« rief ich unbeherrscht.
    »Jawohl, Stjebelkow und … Sie wissen nicht?«
    Er brach ab und starrte mich mit den gleichen weit aufgerissenen Augen und jenem langen, krampfhaften, sinnlosen, fragenden Lächeln an, das immer breiter wurde. Sein Gesicht wurde allmählich bleich. Irgend etwas ließ mich von Kopf bis Fuß erbeben: Ich erinnerte mich an den gestrigen Blick Werssilows, als er mir von der Verhaftung Wassins erzählte.
    »Oh, ist das möglich?« schrie ich erschrocken.
    »Sehen Sie, Arkadij Makarowitsch, ich habe Sie auch deswegen gerufen, um zu erklären … ich wollte …« Nun flüsterte er ganz schnell.
    »Sie haben Wassin angezeigt!« schrie ich.
    »Nein, sehen Sie, da war eine Handschrift. Wassin hat sie Lisa am allerletzten Tag vorher gegeben … sie sollte sie verwahren. Und Lisa hat sie mir gelassen, hier, ich wollte sie durchblättern, und dann geschah es, daß die beiden sich am nächsten Tag zerstritten haben …«
    »Sie haben diese Handschrift der Behörde ausgehändigt!«
    »Arkadij Makarowitsch, Arkadij Makarowitsch!«
    »Also Sie haben«, rief ich, aufspringend und jedes meiner Worte betonend, »Sie haben ohne jeden anderen Beweggrund, ohne jedes andere Ziel, einzig deshalb, weil der unglückselige Wassin – Ihr Rivale ist, einzig und allein aus Eifersucht die Lisa anvertraute Handschrift  … übergeben? Wem? Dem Staatsanwalt?«
    Aber er hatte noch nicht geantwortet, und er hätte wohl auch kaum geantwortet, weil er immer noch wie ein Götzenbild vor mir stand, mit demselben krankhaften Lächeln und dem starren Blick, als plötzlich die Tür aufging und Lisa hereinkam. Sie wurde fast ohnmächtig, als sie uns nebeneinander sah.
    »Du hier? Du also hier?« rief sie mit einem plötzlich verzerrten Gesicht und packte mich an beiden Händen. »Dann … weißt du es?«
    Aber sie hatte bereits in meinem Gesicht gelesen, daß ich es »weiß«. Ich riß sie schnell an mich, in meine Arme, fest, ganz fest! Und zum ersten Mal begriff ich in diesem Augenblick in vollem Ausmaß, welch ein auswegloser, endloser Schmerz sich für immer, ohne Morgendämmerung, über das ganze Schicksal dieser … freiwillig das Martyrium Suchenden gelegt hatte!
    »Aber ist es denn möglich, jetzt mit ihm zu sprechen?« Sie riß sich

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