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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Andrejewna die wichtigsten Bestätigungen abzulisten.
    Nun das letzte und wichtigste: Hat Werssilow an diesem Tage etwas gewußt und sich schon damals an irgendwelchen, wenn auch noch so fernen Plänen Lamberts beteiligt? Nein, nein und nochmals nein; damals noch nicht, wenn auch vielleicht ein verhängnisvolles Wort schon gefallen war … Aber genug, genug. Ich greife viel zu weit vor. Nun, und wie stand es um mich? Habe ich etwas gewußt, und was war es, was ich am Tage meines ersten Ausgehens nach der Krankheit wußte? Als ich dieses entrefilet begann, erklärte ich, daß ich am Tage meines ersten Ausgehens noch nichts gewußt, daß ich von allem zu spät erfahren hätte, sogar erst dann, als alles bereits geschehen war. Das ist die Wahrheit, aber ist es auch die ganze Wahrheit? Nein, das ist sie nicht; ich habe bereits ganz gewiß etwas gewußt, sogar viel zuviel, aber woher? Möge sich der Leser noch an den Traum erinnern! Wenn es schon einen solchen Traum hatte geben können, wenn er schon meinem Herzen hatte entsteigen und diese Gestalt hatte annehmen können, dann bedeutete das, daß ich sehr viel – nicht gewußt, sondern geahnt hatte von dem, was ich soeben erklärt habe und in der Tat erst dann erkannt, gewußt habe, als »alles bereits zu Ende« war. Ein Wissen war es nicht, aber das Herz hämmerte in Vorahnungen, und die bösen Geister hatten sich bereits meiner Träume bemächtigt. Und ausgerechnet zu einem solchen Menschen zog es mich hin, trotz des sicheren Wissens, was für ein Mensch er war, bis auf die Ahnung kleinster Details! Und was war es, was mich zu ihm hinzog? Stellen Sie sich vor: Auch jetzt, in dieser Minute, in der ich dies niederschreibe, glaube ich, daß ich schon damals bis in die Details wußte, warum es mich zu ihm hinzog, während ich gleichzeitig noch nichts wußte. Vielleicht wird der Leser mich verstehen. Und jetzt zur Sache, Faktum für Faktum.
    II
    Es begann damit, daß Lisa noch zwei Tage vor meinem ersten Ausgehen abends in größter Aufregung nach Hause kam. Sie fühlte sich tief beleidigt; und in der Tat, ihr war etwas Unerträgliches widerfahren.
    Ich habe bereits ihre Beziehungen zu Wassin erwähnt. Sie hatte sich nicht nur deshalb an ihn gewandt, um uns zu demonstrieren, daß sie auf uns nicht angewiesen wäre, sondern auch deshalb, weil sie Wassin wirklich schätzte. Sie hatten einander noch in Luga kennengelernt, und ich hatte immer den Eindruck, daß sie Wassin nicht gleichgültig war. In dem Unglück, das sie betroffen hatte, konnte sie sich selbstverständlich den Rat eines festen, ruhigen, stets überlegenen Verstandes wünschen, den sie in Wassin vermutete. Außerdem sind Frauen nicht gerade besonders begabt in der Einschätzung männlicher Intelligenz und nehmen, wenn der Mann ihnen gefällt, jedes Paradox mit Vergnügen für einen streng logischen Beweis, wenn es nur ihren eigenen Wünschen entspricht. Lisa fand Gefallen an Wassins Sympathie für ihre Lage und auch, wie es ihr anfangs schien, für seine Sympathie für den Fürsten. Auch während ihr später seine Gefühle für sie nicht verborgen blieben, hatte sie die Sympathie für seinen Nebenbuhler gebührend schätzengelernt. Der Fürst aber, dem sie unaufgefordert erzählte, sie suche gelegentlich Wassin auf und hole sich Rat bei ihm, reagierte auf diese Nachricht mit außerordentlicher Unruhe, gleich nach dem allerersten Wort; er wurde eifersüchtig. Lisa fühlte sich beleidigt und setzte nun absichtlich die Besuche bei Wassin fort. Der Fürst verstummte, blieb aber düster. Lisa aber hat mir später (sehr viel später) selbst anvertraut, daß Wassin ihr damals, sogar sehr bald, nicht mehr gefallen hätte; er war sehr ruhig, und gerade diese ewige Ausgeglichenheit, die ihr anfangs so sehr imponierte, fand sie mit der Zeit ziemlich unausstehlich. Er wirkte sehr sachlich und gab ihr wirklich einige dem Anschein nach gute Ratschläge, aber ausgerechnet diese Ratschläge erwiesen sich in der Praxis als unausführbar. Er urteilte gelegentlich allzusehr von oben herab und rücksichtslos ihr gegenüber – je länger, desto rücksichtsloser –, was sie seiner zunehmenden Mißachtung ihrer Lage zuschrieb. Einmal dankte sie ihm dafür, daß er mir beständig wohlwollend begegne und sich mit mir, obwohl er mich geistig haushoch überrage, wie mit einem Gleichgestellten unterhalte (das heißt, sie wiederholte meine eigenen Worte). Er antwortete ihr:
    »Das ist nicht so, und auch nicht deshalb. Das ist deshalb,

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