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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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plötzlich von mir los. »Ist es denn möglich, bei ihm zu sein? Warum bist du hier? Sieh ihn doch an, sieh ihn an! Und ist es möglich, ist es möglich, ein Urteil über ihn zu fällen?«
    Unendliches Leid und unendliches Mitleid waren in ihrem Gesicht, als sie fragend auf den Unglücklichen deutete. Er saß in einem Sessel und hatte die Hände vors Gesicht geschlagen. Und sie hatte recht: Er war ein Mann in hohem Fieber und Delirium, unzurechnungsfähig; und dies vielleicht schon seit drei Tagen. Noch am selben Vormittag brachte man ihn ins Krankenrevier, und schon gegen Abend wurde bei ihm eine Gehirnentzündung diagnostiziert.
    IV
    Vom Fürsten, den ich damals mit Lisa zurückließ, fuhr ich, es war gegen ein Uhr mittags, in mein früheres Zimmer. Ich habe vergessen zu erwähnen, daß der Tag feucht und trübe war, mit beginnendem Tauwetter und einem warmen Wind, der sogar die Nerven eines Elefanten angegriffen hätte. Mein Vermieter begegnete mir sehr freudig, mit einem aufgeregten Redeschwall, was ich gerade in solchen Augenblicken auf den Tod nicht leiden kann. Ich reagierte trocken und begab mich sofort in mein Zimmer, aber er folgte mir auf dem Fuß, und obwohl er sich nicht getraute, mich auszufragen, leuchtete die Neugierde förmlich aus seinen Augen, wobei er eine Haltung annahm wie einer, der sogar ein gewisses Recht darauf hat, wißbegierig zu sein. Ich mußte mit ihm höflich umgehen, aus eigenem Interesse; und obwohl mir nur zu sehr daran lag, etwas Bestimmtes zu erfahren (und ich wußte, daß ich es erfahren würde), so ging es mir doch gegen den Strich, mit dem Ausfragen zu beginnen. Ich erkundigte mich nach der Gesundheit seiner Frau, und wir gingen zusammen zu ihr hinüber. Diese empfing mich zwar aufmerksam, aber äußerst sachlich und wortkarg; das versöhnte mich einigermaßen. Kurz, ich erfuhr diesmal ganz wunderliche Dinge.
    Ja, selbstverständlich war Lambert dagewesen, aber dann zweimal wiedergekommen und hatte »alle Zimmer besichtigt«, wobei er durchblicken ließ, er würde sich vielleicht hier einmieten. Mehrere Male war auch Nastassja Jegorowna dagewesen, aber was die wollte, mag Gott allein wissen.
    »Auch sie zeigte sich durchaus interessiert«, fügte der Vermieter hinzu, aber ich tat ihm nicht den Gefallen zu fragen, wofür sie sich interessiert gezeigt habe, überhaupt stellte ich keine Fragen und überließ ihm allein das Sprechen, gab mir aber den Anschein, ich wühle in meinem Koffer (in dem fast nichts mehr geblieben war). Das ärgerlichste aber war, daß er, sobald er bemerkte, daß ich mich mit Fragen zurückhielt, sich ebenfalls für verpflichtet hielt, sich in Andeutungen, beinahe in Rätseln zu ergehen.
    »Das gnädige Fräulein waren auch da«, fügte er mit einem sonderbaren Blick auf mich hinzu.
    »Welches gnädige Fräulein?«
    »Anna Andrejewna; sie waren schon zweimal da; und haben Bekanntschaft mit meiner Frau geschlossen. Eine reizende Persönlichkeit, sehr angenehm. Eine solche Bekanntschaft muß man einfach hochschätzen, Arkadij Makarowitsch …« Nachdem er das gesagt hatte, machte er sogar einen Schritt auf mich zu: So groß war sein Wunsch, ich möchte etwas Gewisses verstehen.
    »Zweimal? Wirklich?« wunderte ich mich.
    »Das zweite Mal sind sie in Begleitung ihres Herrn Bruder gekommen.«
    “Das muß Lambert gewesen sein”, ging es mir plötzlich durch den Sinn.
    »Nein, wenn’s beliebt, nicht mit Herrn Lambert«, erriet er sofort, als läsen seine Augen in meiner Seele, »sondern mit ihrem Herrn Bruder, dem echten Herrn Werssilow junior. Ein Kammerjunker, wie es scheint?«
    Ich war sehr verlegen; er sah mich mit einem grauenhaft freundlichen Lächeln an.
    »Ach ja, es hat noch jemand nach Ihnen gefragt – diese Mademoiselle, die Französin, Mademoiselle Alphonsine de Verdaigne. Ach, wie schön singt die, und wie wunderbar sie Gedichte deklamiert! Die ist damals heimlich zum Fürsten Nikolaj Iwanowitsch hinausgefahren, nach Zarskoje, um ihm ein Hündchen zu verkaufen, eine ganz seltene Rasse, schwarz und nicht größer als ein Fäustchen …«
    Ich bat ihn, mich allein zu lassen, indem ich über Kopfschmerzen klagte. Er folgte sofort, sprach nicht einmal den Satz zu Ende und zeigte sich nicht im geringsten beleidigt, sondern beinahe vergnügt, wobei er verschwörerisch mit der Hand winkte, als wolle er sagen: “Verstehe, verstehe”, und wenn er das auch nicht aussprach, verließ er doch das Zimmer auf den Zehenspitzen, offensichtlich zu seinem

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