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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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der Lage, den Großmütigen in allem nach ihrer Laune zu überzeugen. “Sie und Lambert – mein Gott!” dachte ich, indem ich sie fassungslos ansah. Übrigens, ich gestehe: Ich bin sogar bis heute noch nicht in der Lage, ein Urteil über sie zu fällen; ihre Gefühle mag tatsächlich Gott allein gekannt haben, und außerdem ist der Mensch eine so komplexe Maschine, daß man ihn in manchen Fällen nicht durchschauen kann, zumal, wenn dieser Mensch – eine Frau ist.
    »Anna Andrejewna, was erwarten Sie von mir?« fragte ich, allerdings ziemlich entschieden.
    »Wie? Was bedeutet Ihre Frage, Arkadij Makarowitsch?«
    »Nach allen Anzeichen … und gewissen anderen Erwägungen scheint es …«, versuchte ich zu erklären, »daß Sie nach mir geschickt haben, weil Sie etwas von mir erwarten; was ist das eigentlich?«
    Ohne auf meine Frage einzugehen, redete sie sofort weiter, ebenso schnell und enthusiasmiert:
    »Aber es ist mir unmöglich, ich bin viel zu stolz, um mich auf Erklärungen und Geschäfte mit unbekannten Personen wie etwa Herrn Lambert einzulassen. Ich habe auf Sie gewartet und nicht auf Herrn Lambert. Meine Situation ist extrem, ist entsetzlich! Ich bin gezwungen, listig vorzugehen, da ich von den Ränken dieser Frau eingekesselt bin – und das ist mir unerträglich. Ich erniedrige mich fast bis zu einer Intrige und habe Sie als meinen Retter erwartet. Man darf mir nicht zum Vorwurf machen, daß ich begierig nach wenigstens einem einzigen Freund Ausschau halte und mich deshalb über einen Freund einfach freuen mußte: Jemand, der in jener Nacht sogar fast erfroren wäre, der sich aber an mich erinnern und nur meinen Namen wiederholt stammeln konnte, dieser Mensch müßte mir doch natürlich zugetan sein. So dachte ich diese ganze Zeit, und deswegen habe ich auf Sie gehofft.«
    Sie sah mir ungeduldig fragend in die Augen. Und da fehlte mir wieder der Mut, ihr den Glauben zu nehmen und klipp und klar zu erklären, daß Lambert sie betrogen, daß ich ihm damals keineswegs beteuert hätte, ihr besonders ergeben zu sein, und daß ich auch keineswegs »nur ihren Namen« wiederholt gestammelt hätte. Oh, auch sie selbst, ich bin davon überzeugt, wußte nur allzu genau, daß Lambert übertrieben und sie sogar einfach belogen hatte, einzig und allein, um einen gültigen Vorwand zu haben, bei ihr vorzusprechen und Beziehungen mit ihr anzuknüpfen; und wenn sie mir nun direkt in die Augen sah, als wäre sie von der Wahrheit meiner Worte und meiner Ergebenheit überzeugt, so wußte sie natürlich, daß ich mich nicht getrauen würde, es zu verneinen, aus Feingefühl sozusagen und wegen meiner Jugend. Ob ich nun mit dieser Vermutung recht habe oder nicht – das weiß ich nicht. Vielleicht bin ich schrecklich verdorben.
    »Mein Bruder wird für mich eintreten«, sagte sie plötzlich mit Nachdruck, als sie sah, daß ich mit der Antwort zögerte.
    »Man hat mir gesagt, daß Sie mit ihm in meiner Wohnung gewesen sind«, murmelte ich verlegen.
    »Aber der unglückliche Fürst Nikolaj Iwanowitsch hat doch jetzt fast keinen Zufluchtsort mehr wegen dieser ganzen Intrige oder, besser gesagt, vor seiner eigenen Tochter, außer Ihrer Wohnung, das heißt der Wohnung eines Freundes; er kann Sie doch mit Recht wenigstens für einen Freund halten! … Und dann, wenn Sie etwas zu seinen Gunsten tun möchten, dann tun Sie es – wenn Sie es nur vermögen, wenn Sie nur großmütig und kühn sind … und schließlich, wenn Sie wirklich etwas tun können. Oh, das wäre nicht für mich, nicht für mich, sondern für einen unglücklichen alten Mann, der Sie als einziger aufrichtig geliebt hat, der an Sie sein Herz gehängt hat wie an einen eigenen Sohn und der Ihnen sogar heute noch nachtrauert! Für mich selbst erwarte ich nichts, nicht einmal mehr von Ihnen – wenn sogar mein leiblicher Vater ein derart tückisches, ein derart böses Spiel mit mir getrieben hat!«
    »Mir scheint, Andrej Petrowitsch …«, begann ich.
    »Andrej Petrowitsch«, unterbrach sie mich mit einem bitteren Lächeln, »Andrej Petrowitsch hat mir damals auf meine direkte Frage ehrenwörtlich versichert, daß er niemals die geringsten Absichten auf Katerina Nikolajewna gehegt hätte, was ich uneingeschränkt glaubte, als ich mich zu meinem Schritt entschloß; inzwischen hat sich aber gezeigt, daß seine Gelassenheit nur bis zu der ersten Nachricht von einem Herrn Bjoring hält.«
    »Das ist es nicht!« rief ich aus. »Es gab einen Augenblick, als auch

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