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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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von dieser Nacht erzählt: Er sagte, daß Sie, kaum zur Besinnung gekommen, sogleich mich vor ihm erwähnt und von Ihrer Ergebenheit für mich gesprochen hätten. Ich war zu Tränen gerührt, Arkadij Makarowitsch, und weiß gar nicht, womit ich eine so heiße Anteilnahme Ihrerseits verdient habe, noch dazu in der Situation, in der Sie sich damals befanden! Sagen Sie, ist Herr Lambert – ein Freund aus Ihren Kindertagen?«
    »Ja, aber dieser Zwischenfall … ich gestehe, ich bin unvorsichtig gewesen und habe ihm vielleicht zuviel gesagt.«
    »Oh, von dieser schwarzen, schrecklichen Intrige hätte ich auch ohne ihn erfahren. Ich habe immer, immer vorausgefühlt, daß man Sie soweit bringen würde. Sagen Sie, ist es wahr, daß Bjoring gewagt hat, die Hand gegen Sie zu erheben?«
    Sie sagte das so, als wären nur Bjoring und sie daran schuld, daß ich unter die Mauer geraten bin. Sie hat ja nicht unrecht, dachte ich im stillen, aber dennoch brauste ich auf:
    »Hätte er die Hand gegen mich erhoben, so wäre er nicht ungestraft davongekommen, und ich würde jetzt nicht vor Ihnen sitzen, ohne Rache genommen zu haben«, antwortete ich heftig. Ich hatte, das war die Hauptsache, den Eindruck, sie versuche, mich mit Absicht zu reizen und gegen jemand aufzuhetzen (übrigens war es klar, gegen wen); aber trotzdem ging ich darauf ein.
    »Wenn Sie sagen, Sie hätten vorausgesehen, man würde mich soweit bringen, so handelte es sich von seiten Katerina Nikolajewnas selbstverständlich nur um ein Mißverständnis … Obwohl es auch richtig ist, daß sie allzu schnell ihre Freundlichkeit mir gegenüber mit diesem Mißtrauen vertauscht hat …«
    »Das ist es ja gerade, daß es allzu schnell ging!« fiel mir Anna Andrejewna mit überschwenglicher Zustimmung ins Wort. »Oh, wenn Sie nur wüßten, welche Intrige dort gerade gesponnen wird! Natürlich, Arkadij Makarowitsch, muß es Ihnen jetzt schwerfallen, die ganze Peinlichkeit meiner Lage zu verstehen«, brachte sie errötend und mit gesenktem Blick hervor. »Damals, an jenem selben Vormittag, an dem wir uns zum letzten Mal sahen, habe ich jenen Schritt getan, den nicht jeder Mensch zu verstehen und so zu deuten vermag, wie ihn ein Mensch mit Ihrem noch nicht infizierten Verstand und Ihrem liebevollen, unverdorbenen, frischen Herzen verstehen kann. Seien Sie sicher, mein Freund, daß ich Ihre Ergebenheit mir gegenüber zu schätzen weiß und mit ewiger Dankbarkeit vergelten werde. Die Gesellschaft wird natürlich den Stein gegen mich aufheben, und man hat ihn bereits aufgehoben. Aber selbst wenn sie von ihrem widerwärtigen Standpunkt aus im Recht wären, wer von ihnen könnte, wer von ihnen dürfte sogar mich verurteilen? Ich wurde von meinem Vater als Kind verlassen. Wir, die Werssilows, sind ein uraltes, hohes russisches Geschlecht, wir sind Habenichtse, und ich esse fremdes Brot aus Gnade und Barmherzigkeit. Was könnte natürlicher sein, als mich jemand verbunden zu fühlen, der mir seit Kindertagen den Vater ersetzt hat und dessen Milde ich schon so viele Jahre erfahren habe? Meine Gefühle für ihn sieht Gott allein, und er allein kann über sie urteilen, aber ein weltliches Gericht über mich und den von mir getanen Schritt erkenne ich nicht an! Wenn aber hier darüber hinaus die hinterlistigste Intrige gesponnen wird und die eigene Tochter sich gegen ihren vertrauensvollen, großmütigen Vater verschworen hat, ihn zugrunde zu richten – darf man das hinnehmen? Nein, mag ich sogar meinen Ruf ruinieren, aber ich werde ihn retten! Ich bin bereit, als seine Pflegerin bei ihm zu wohnen, seine Wächterin, seine Wärterin, aber ich werde einen Triumph der kalten, berechnenden, abscheulichen Welt nicht dulden!«
    Sie sprach mit einer ungewohnten Begeisterung, die, sehr gut möglich, zur Hälfte gewollt, aber dennoch ehrlich war, weil sie zeigte, wie tief sie sich in diese Sache verstrickt hatte. Oh, ich fühlte, daß sie log (wenn auch aufrichtig, denn man kann auch aufrichtig lügen) und daß sie jetzt unlauter war; aber es ist erstaunlich, wie es manchmal mit den Frauen geht: Dieser äußere Anstand, diese höheren Umgangsformen, diese Unzugänglichkeit gesellschaftlicher Höhe und stolzer Keuschheit – all das verwirrte mich, und ich stimmte ihr in allem zu, das heißt, solange ich bei ihr saß; jedenfalls getraute ich mich nicht, ihr zu widersprechen. Oh, der Mann ist ganz entschieden ein moralischer Sklave der Frau, besonders, wenn er großmütig ist! Eine Frau ist in

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