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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Hand nach der Klingel aus.
    »Attánde!« rief mir der eine zu.
    »Bitte warten Sie mit dem Klingeln«, sagte der andere junge Mann mit einer hellen und feinen Stimme, die Worte ein wenig dehnend. »Wir sind gleich soweit, und dann klingeln wir zusammen, ist es Ihnen recht?«
    Ich zog meine Hand zurück. Beide waren noch sehr jung, etwa zwanzig oder zweiundzwanzig; sie gingen dort vor der Tür einer seltsamen Beschäftigung nach, und ich versuchte, der Sache auf den Grund zu kommen. Der, welcher »Attánde« gerufen hatte, war ein hochgewachsener Bursche von etwa zehn Werschok, auf keinen Fall weniger, hager und ausgemergelt, aber sehr muskulös, mit einem im Vergleich zu seiner Körpergröße auffallend kleinen Kopf und einem merkwürdigen, irgendwie komisch-finsteren Ausdruck des leicht pockennarbigen, aber ziemlich gescheiten und sogar angenehmen Gesichts. Seine Augen blickten irgendwie übermäßig aufmerksam und unangebracht entschlossen. Gekleidet war er ausgesprochen schäbig: in einen uralten wattierten Mantel mit kleinem kahlen Waschbärkragen, der ihm zu kurz und offensichtlich geerbt war; seine Füße steckten in minderwertigen, fast bäuerlichen Stiefeln, und auf dem Kopf trug er einen furchtbar zerdrückten, inzwischen rostbraun gewordenen Zylinder. Alles in allem wirkte er ungepflegt: Die Hände ohne Handschuhe waren schmutzig, die langen Nägel – mit Trauerrand. Im Gegensatz zu ihm war sein Gefährte ausgezeichnet gekleidet, in einen leichten Iltispelz, eleganten Hut und mit hellen, frischen Handschuhen an den feinen Fingerchen; er war etwa so groß wie ich, hatte aber etwas außerordentlich Anziehendes in seinem frischen, jugendlichen Gesichtchen.
    Der lange Bursche zerrte gerade seine Krawatte vom Hals – eine vollkommen verknautschte und speckige Binde, fast schon ein Zwirnband, und der hübsche Junge hatte aus der Tasche eine andere, funkelnagelneue schwarze Krawatte geholt, die er offensichtlich soeben erstanden hatte, und wollte sie dem langen Burschen um den Hals binden, der gehorsam, mit furchtbar ernstem Gesicht, seinen Hals vorstreckte, einen sehr langen Hals, und den Mantel zurückschlug.
    »Nein, das geht nicht, wenn das Hemd so schmutzig ist«, sagte der Junge mit der Krawatte in der Hand, »das macht nicht nur keinen Effekt, sondern läßt alles noch schmutziger erscheinen. Ich habe dir doch gesagt, du sollst einen frischen Kragen umlegen. Ich kann das nicht … könnten Sie das machen?« wandte er sich plötzlich an mich.
    »Was denn?« fragte ich.
    »Hier, wissen Sie, ihm die Krawatte binden. Sehen Sie, das muß man irgendwie so machen, daß sein schmutziges Hemd nicht zu sehen ist, sonst ist der ganze Effekt dahin, da ist nicht zu helfen. Ich habe ihm die Krawatte extra beim Coiffeur Philipe gekauft, vorhin, für einen Rubel.«
    »Das hast du – mit jenem Rubel?« murmelte der Lange.
    »Ja, jenem, jetzt habe ich keine einzige Kopeke mehr. Sie können es also nicht? In diesem Fall muß man Alphonsinka bitten.«
    »Zu Lambert?« fragte mich plötzlich der Lange scharf.
    »Zu Lambert«, antwortete ich nicht weniger entschieden und fixierte seine Augen.
    »Dolgorowky?« wiederholte er in demselben Ton und mit derselben Stimme.
    »Nein, nicht Korowkin«, antwortete ich ebenso scharf, ich hatte ihn nicht richtig verstanden.
    »Dolgorowky?!« nun schrie der Lange beinahe und rückte beinahe drohend näher. Sein Kamerad lachte laut.
    »Er sagt Dolgorowky und nicht Korowkin«, erklärte er. »Wissen Sie, die Franzosen entstellen im ›Journal des Débats‹ so oft die russischen Familiennamen …«
    »Im ›Indépendance‹«, knurrte der Lange.
    »… Genauso im ›Indépendance‹. Den Namen Dolgorukij schreiben sie immer Dolgorowky – ich habe es selbst gelesen, und W-w immer als Comte Wallonieff.«
    »Doboyny!« schrie der Lange.
    »Ach ja, da gibt es auch noch einen Doboyny; ich habe es selbst gelesen, und wir haben beide gelacht: Irgendeine russische Madame Doboyny, irgendwo im Ausland … aber wie kommst du darauf, sie alle aufzuzählen?« wandte er sich plötzlich an den Langen.
    »Entschuldigung, sind Sie Herr Dolgorukij?«
    »Ja, ich bin Dolgorukij, woher wissen Sie das?«
    Plötzlich flüsterte der Lange dem hübschen Jungen etwas zu, dieser runzelte die Brauen und machte eine verneinende Geste; aber der Lange wandte sich plötzlich an mich:
    » Monsieur le prince, vous n’avez pas de rouble d’argent pour nous, pas deux, mais un seul, voulez-vous ?!«
    »Ach, du bist

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