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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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ich war schon aufgesprungen und hatte mich vor ihr aufgepflanzt, um mich vollends auszusprechen, und wenn ich mich ausgesprochen hätte, wäre es anders gekommen, als es später gekommen ist, weil ich ihr gewiß alles gestanden und das Dokument ausgehändigt hätte. Aber sie lachte plötzlich:
    »Bitte nicht! Bitte, kein Wort mehr! Keine Details! Alle Ihre Verbrechen sind mir bekannt: Ich möchte wetten, daß Sie mich heiraten wollten oder ähnliches und vorhin mit einem Ihrer Helfer aus der Zahl Ihrer früheren Schulkameraden darüber konferiert haben. Ach, ich habe das wohl erraten!« rief sie aus, indem sie mir prüfend ins Gesicht sah.
    »Wieso … wieso haben Sie das erraten?« stammelte ich, wie vor den Kopf geschlagen.
    »Dazu gehörte nicht viel! Aber genug, genug! Ich verzeihe Ihnen, aber hören Sie nur ja damit auf!« Sie winkte wieder ab, bereits sichtlich ungeduldig. »Ich – ich bin selbst eine Träumerin, wenn Sie nur wüßten, wessen ich fähig bin, in Augenblicken, in denen es mit mir durchgeht! Genug, Sie lenken mich immer wieder ab. Ich freue mich sehr, daß Tatjana Pawlowna gegangen ist; ich habe mir sehr gewünscht, Sie zu sehen, aber in ihrer Gegenwart wäre es mir unmöglich gewesen, so zu sprechen wie jetzt. Ich glaube, ich stehe in Ihrer Schuld, wegen des Vorfalls damals. Ja? So ist es doch?«
    »Sie wollen schuld sein? Aber damals hatte ich Sie an ihn verraten und – was mußten Sie von mir denken! Ich habe diese ganze Zeit daran denken müssen, täglich, seit damals, jede Minute, ich habe daran gedacht und es gefühlt.« (Ich habe ihr nichts vorgelogen.)
    »Sie haben sich ganz umsonst gequält. Ich aber habe damals von Grund auf verstanden, wie all das gekommen ist: Sie haben sich ihm gegenüber einfach verplappert, daß Sie in mich verliebt sind und daß ich … nun ja, daß ich Ihnen zuhöre. Sie sind eben erst zwanzig. Sie lieben ihn mehr als die ganze Welt, Sie suchen in ihm den Freund, das Ideal? Das habe ich sehr gut verstanden, aber zu spät; o ja, das war damals meine eigene Schuld: Ich hätte Sie damals sogleich rufen sollen, um Sie zu beruhigen, aber dann wurde ich ärgerlich; und ich habe gebeten, Sie nicht mehr bei uns zu empfangen; darauf kam es zu der Szene vor der Haustür, und dann diese Nacht. Und wissen Sie, ich habe diese ganze Zeit, genauso wie Sie, davon geträumt, mich mit Ihnen heimlich zu treffen, aber ich wußte nicht, wie ich es anstellen sollte. Und wovor, wovor hatte ich die meiste Angst, was glauben Sie? Daß Sie seinen Verleumdungen über mich glauben könnten!«
    »Niemals!« rief ich.
    »Unsere früheren Begegnungen bedeuten mir viel; der Jüngling in Ihnen ist mir teuer, vielleicht sogar gerade wegen dieser Aufrichtigkeit … Ich bin – doch ein durch und durch ernster Charakter. Ich bin – der ernsteste und nachdenklichste Charakter von allen heutigen Frauen, das müssen Sie wissen, hahaha! Wir werden uns einmal noch länger unterhalten, aber jetzt fühle ich mich nicht ganz wohl, ich bin aufgeregt und … vielleicht hysterisch. Aber endlich, endlich wird er auch mich auf der Welt leben lassen!«
    Dieser Ausruf entrang sich ihr unwillkürlich; ich verstand es sofort und wollte nichts Näheres wissen, aber ich zitterte von Kopf bis Fuß.
    »Er weiß, daß ich ihm vergeben habe!« rief sie abermals plötzlich aus, als redete sie mit sich selbst.
    »Ist es denn möglich, daß Sie ihm jenen Brief vergeben konnten? Und wie konnte er erfahren, daß Sie ihm vergeben haben?« rief ich, ohne mich länger beherrschen zu können.
    »Wie er es erfahren hat? Oh, er weiß es«, antwortete sie versonnen, als hätte sie mich vergessen und führte ein Selbstgespräch. »Er ist jetzt zu sich gekommen, und wie sollte er es nicht wissen, daß ich ihm vergeben habe, da er meine Seele auswendig kennt? Weiß er doch, daß ich ein wenig von seiner Art bin.«
    »Sie?«
    »Aber ja, das ist ihm bekannt. Oh, ich bin nicht leidenschaftlich, ich bin ruhig: Aber ich wünsche auch, so wie er, daß alle gut wären … Es muß doch etwas gewesen sein, weswegen er mich liebgewonnen hat.«
    »Wieso hat er dann gesagt, daß Sie alle Laster hätten?«
    »Das hat er nur so gesagt; im stillen kennt er ein anderes Geheimnis. Aber seinen Brief hat er doch furchtbar komisch aufgesetzt, nicht wahr?«
    »Komisch?!« (Ich hörte ihr gespannt zu; ich nehme an, daß sie tatsächlich so etwas wie einen hysterischen Anfall hatte und … und das Gesprochene vielleicht gar nicht für meine Ohren

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