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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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wegen Makar Iwanowitsch die Tränen gekommen, was allerdings völlig unzutreffend war; und ich weiß, daß sie mir um nichts auf der Welt eine derart kindische Banalität zugemutet hätte. Es verging eine Weile, bis ich mich plötzlich besann und mich schämte. Heute vermute ich, daß ich damals einzig und allein vor Entzücken geweint habe und daß sie dies völlig durchschaute, und bin dieser Erinnerung wegen nicht verlegen.
    Plötzlich kam es mir sehr sonderbar vor, daß sie mich immer weiter nach Makar Iwanowitsch ausfragte.
    »Haben Sie ihn etwa gekannt?« fragte ich verwundert.
    »Schon lange. Ich habe ihn nie gesehen, aber in meinem Leben hat er auch eine Rolle gespielt. Seinerzeit hat mir jener Mann, den ich fürchte, viel von ihm erzählt, Sie wissen, wer dieser Mann ist.«
    »Ich weiß jetzt nur, daß ›dieser Mann‹ Ihrer Seele viel mehr bedeutet hat, als Sie mir früher anvertraut haben«, sagte ich, ohne selbst zu wissen, was ich damit ausdrücken wollte, aber irgendwie vorwurfsvoll und finster.
    »Sie sagen, er habe vorhin Ihre Mutter geküßt? Sie umarmt? Sie haben das gesehen?« Sie fragte weiter, ohne mir zuzuhören.
    »Ja, ich habe es gesehen; und, glauben Sie mir, es war alles in höchstem Maße aufrichtig und großmütig!« beeilte ich mich zu bestätigen, als ich ihre Freude sah.
    »Gott helfe ihm!« Sie bekreuzigte sich. »Jetzt hat er freie Hand. Dieser wunderbare alte Mann war für ihn lebenslang auch eine Fessel. Mit dessen Tod werden in ihm wieder seine Pflicht und … und die Würde zum Leben erwachen, wie sie schon einmal erwacht sind. Oh, er ist vor allem großmütig, er wird dem Herzen Ihrer Mutter, die er über alles auf Erden liebt, die Ruhe schenken und endlich selbst zur Ruhe kommen, Gott sei Dank – dafür ist es die höchste Zeit.«
    »Er ist Ihnen sehr teuer?«
    »Ja, sehr teuer, wenn auch nicht in dem Sinne, in dem er es selbst wünschte und in dem Sie mich danach fragen.«
    »Fürchten Sie denn jetzt für ihn oder für sich selbst?« fragte ich plötzlich.
    »Nun, das sind sehr komplizierte Fragen, lassen wir sie.«
    »Lassen wir sie, natürlich; aber ich habe nichts davon gewußt, viel zuviel nicht gewußt, vielleicht; aber nun gut, Sie haben recht. Jetzt wird alles neu, und wenn jemand auferstanden ist, so bin ich der erste. Ich habe mich mit gemeinen Gedanken an Ihnen vergangen, Katerina Nikolajewna, und vielleicht vor kaum einer Stunde sogar mit Taten, aber Sie müssen wissen, daß ich jetzt neben Ihnen sitze, ohne die leisesten Gewissensbisse zu fühlen. Weil jetzt alles vergangen und alles neu ist und weil ich jenen Menschen, der vor einer Stunde einen niederträchtigen Plan gegen Sie geschmiedet hat, nicht mehr kenne und nicht mehr kennen will!«
    »Kommen Sie zu sich«, sagte sie lächelnd, »Sie reden wie im Fieber.«
    »Wie könnte man sich in Ihrer Nähe bezichtigen? …«, fuhr ich fort, »sei man ehrenwert, sei man gemein – Sie sind in jedem Fall wie die Sonne unerreichbar … Sagen Sie, wie konnten Sie zu mir herauskommen, nach allem, was geschehen ist? Wenn Sie nur wüßten, was vor einer Stunde, vor nur einer Stunde geschah? Und welch ein Traum wahr geworden ist?«
    »Alles weiß ich, wahrscheinlich alles«, sagte sie mit einem ruhigen Lächeln. »Sie haben sich soeben an mir rächen wollen, haben geschworen, mich zu verderben, und hätten bestimmt jeden auf der Stelle erschlagen oder niedergeschlagen, der sich erdreistet hätte, in Ihrer Gegenwart auch nur ein einziges schlechtes Wort über mich zu sagen.«
    Oh, sie lächelte und scherzte; aber nur aus ihrer übermäßigen Güte, weil ihre Seele in diesem Augenblick, wie ich später begriffen habe, von einer eigenen, so ungeheuren Sorge und so übermächtigem Gefühl erfüllt war, daß sie das Gespräch mit mir nur deshalb ertragen und meine nichtigen, aufreizenden Fragen nur deshalb beantworten konnte, weil sie mit mir wie mit einem Kind sprach, dessen naiv aufdringliche Frage man nur deshalb beantwortet, um es loszuwerden. Das verstand ich und schämte mich plötzlich, aber nun konnte ich sie nicht mehr in Ruhe lassen.
    »Nein!« rief ich, ohne mich länger zu beherrschen. »Nein, ich habe den, der schlecht von Ihnen sprach, nicht erschlagen, sondern, ganz im Gegenteil, ich habe ihm sogar beigepflichtet!«
    »Oh, um Gottes willen, bitte nicht, es ist nicht nötig, erzählen Sie mir nichts!« Plötzlich streckte sie die Hand vor, um mich aufzuhalten, sogar mit einem leidenden Ausdruck im Gesicht, aber

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