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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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nicht lieben?«
    »Vielleicht liebe ich Sie ganz und gar nicht. Ich liebe Sie nicht«, fügte sie mit fester Stimme hinzu, und nun ohne zu lächeln und zu erröten. »Oh, ja, ich habe Sie geliebt, aber nicht lange. Ich habe Sie damals sehr bald nicht mehr geliebt …«
    »Ich weiß, ich weiß, Sie bemerkten, daß es nicht das war, was Sie brauchen, aber … was brauchen Sie denn? Erklären Sie mir das noch einmal …«
    »Habe ich es Ihnen denn schon einmal erklärt? Was ich brauche? Aber ich bin doch – eine ganz gewöhnliche Frau; ich bin – eine ruhige Frau, ich liebe … Ich liebe heitere Menschen …«
    »Heitere?«
    »Sie sehen, daß ich mit Ihnen nicht einmal vernünftig sprechen kann. Ich glaube, daß ich Sie damals, wenn Sie mich weniger hätten lieben können, geliebt hätte«, sie lächelte ihm wieder schüchtern zu. Die vollkommenste Aufrichtigkeit leuchtete in ihrer Antwort, auch wenn sie selbst nicht verstand, daß ihre Antwort die endgültige Formel ihrer Beziehungen darstellte, die alles erklärte und löste. Oh, das hätte er begreifen müssen! Aber er sah sie an und lächelte eigentümlich.
    »Bjoring – ist der ein heiterer Mensch?« fragte er weiter.
    »Seinetwegen brauchen Sie sich keine Gedanken zu machen«, antwortete sie ein wenig hastig. »Ich heirate ihn nur deswegen, weil ich es mit ihm am ruhigsten haben werde. Meine ganze Seele bleibt bei mir.«
    »Sie sollen, wie man hört, wieder Geschmack an der Gesellschaft, an der großen Welt gefunden haben?«
    »Nicht an der Gesellschaft. Ich weiß, daß in unserer Gesellschaft die gleiche Unordnung herrscht wie überall; aber von außen sind die Formen noch schön, so daß es hier, wenn man leben will, um nur vorüberzugehen, immerhin besser ist als irgendwo.«
    »Ich habe neuerdings oft das Wort ›Unordnung‹ gehört; Sie sind damals auch vor meiner Unordnung erschrocken, den Büßerketten, den Ideen, den Narrheiten?«
    »Nein, das war es nicht nur …«
    »Was denn? Um Gottes willen, reden Sie ganz offen.«
    »Ich werde es Ihnen sagen, weil ich Sie für einen überragenden Kopf halte … Mir ist an Ihnen stets irgend etwas komisch vorgekommen.«
    Kaum hatte sie das ausgesprochen, schoß ihr plötzlich das Blut ins Gesicht, als würde ihr bewußt, daß sie eine außerordentliche Unbesonnenheit begangen hätte.
    »Gerade dafür, daß Sie mir dies gesagt haben, kann ich Ihnen vieles vergeben«, antwortete er vieldeutig.
    »Ich habe nicht zu Ende gesprochen«, fügte sie hastig hinzu und errötete immer tiefer, »ich bin es, die lächerlich ist … allein schon dadurch, daß ich wie eine dumme Gans mit Ihnen spreche.«
    »Nein, Sie sind nicht lächerlich, Sie sind nur eine lasterhafte Dame von Welt!« Er wurde schrecklich blaß. »Ich habe vorhin auch nicht zu Ende gesprochen, als ich Sie gefragt habe, warum Sie gekommen sind. Möchten Sie, daß ich zu Ende spreche? Es existiert ein Brief, ein Dokument, vor dem Sie furchtbare Angst haben, weil Ihr Vater, mit diesem Brief in der Hand, Sie bei Lebzeiten verfluchen und in aller Form testamentarisch enterben könnte. Sie fürchten diesen Brief, und Sie sind – Sie sind um dieses Briefes willen gekommen«, stotterte er, am ganzen Körper zitternd und fast zähneklappernd. Sie hörte ihn mit tiefbetrübter und leidender Miene an.
    »Ich weiß, daß Sie mir eine Menge Ärgernis bereiten können«, sagte sie, als wehre sie seine Worte ab, »aber ich bin weniger gekommen, um Sie zu überreden, mich nicht zu verfolgen, als vielmehr, um Sie zu sehen. Ich habe sogar sehr und schon lange gewünscht, Ihnen zu begegnen … ich selbst … Aber ich bin in Ihnen demselben begegnet wie früher«, fügte sie plötzlich hinzu, wie im Bann eines besonderen und entschiedenen Gedankens oder sogar eines eigenartigen und unverhofften Gefühls.
    »Und Sie haben gehofft, einen anderen vor sich zu sehen? Und das nach meinem Brief über Ihr lasterhaftes Leben? Sagen Sie, sind Sie ohne jede Angst gekommen?«
    »Ich bin gekommen, weil ich Sie einst geliebt habe; aber wissen Sie, Sie dürfen mir nicht drohen, ich bitte Sie, mit gar nichts, solange wir jetzt beisammen sind, erinnern Sie mich nicht an meine üblen Gedanken und Gefühle. Wenn Sie sich mit mir über etwas anderes unterhalten würden, wäre ich sehr froh. Die Drohungen – später, jetzt sollte etwas anderes sein … Wirklich, ich bin gekommen, um Sie einen Augenblick zu sehen und zu hören. Und wenn Ihnen das unmöglich ist, so bringen Sie mich

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